Das Lied ist bekannt: Dem Baugewerbe, zu dem auch die Gebäudetechnikbranche zählt, fehlt es an Fachkräften. Eine vom Bundesamt für Energie (BFE) in Auftrag gegebene «Bildungsoffensive Schweiz» – eine mit Branchenvertretern ausgearbeitete Strategie mit Massnahmenplan – zeigt auf: Die Nachwuchszahlen stagnieren seit Jahren. Während fast überall genügend Hilfskräfte anzutreffen sind, fehlt es oft an ausgebildeten Fach- und Kaderleuten. Der Abwanderung in andere Branchen steht keine entsprechende Zuwanderung von Quereinsteigenden gegenüber. Und die Gebäudebranche schafft es nicht, weibliche Fachkräfte anzulocken.
Die vom Beratungsunternehmen Ecoplan orchestrierte Erarbeitung einer Roadmap erfolgte zusammen mit Branchenund Bildungsvertreter/-innen aus dem Gebäudebereich. In einer ersten Phase wurde an einem runden Tisch die Ausgangslage in Bezug auf Fachkräfte- und Kompetenzmangel formuliert. Die zweite Phase diente dazu, Handlungsfelder und dazugehörige Massnahmen abzuleiten. In der dritten und vierten Phase wurden die gemeinsam definierten Massnahmen verdichtet, ergänzt, priorisiert und konkretisiert. Die insgesamt elf runden Tische lieferten die Grundlagen für den in der fünften Phase redigierten Massnahmenkatalog.
Als drei strategische Ziele nennt der Katalog a) das Gewinnen neuer Fachkräfte, b) das Binden bestehender Fachkräfte in den Betrieben bzw. der Branche und c) das Stärken von Kompetenzen der aktuell beschäftigten Fachkräfte. Um diese drei Ziele zu erreichen, wurden vier Handlungsfelder festgelegt und einzelne Massnahmen formuliert.
Formale Bildung stärken
Die Schweiz kennt zwar ein ausdifferenziertes und wohl organisiertes Berufsbildungssystem, das auch von einer Mehrzahl der Jugendlichen genutzt wird, um sich in die Berufswelt zu integrieren. Die Bauwirtschaft ist in dieses System bestens integriert. Dennoch gilt es Antworten zu finden auf typische Herausforderungen im vielfältigen Bauausbaugewerbe: So müssen die Inhalte der Berufe immer schneller den sich wandelnden Bedürfnissen der Wirtschaft angepasst werden. Viele Lernende brechen ihre berufliche Grundbildung ab und wechseln die Branche. Zu wenige Lernende entscheiden sich für die Berufsmaturität. Die Möglichkeiten für die berufliche Förderung von Quereinstiegswilligen nutzt die Branche zu wenig.
Von den im Kapitel «Stärken der formalen Bildung» (Handlungsfeld 1) über einem Dutzend genannten Massnahmen seien hier einige herausgepickt.
a) Berufsmaturität
So steht die Stärkung der Berufsmaturität (BM), die einen grösseren Anteil an Allgemeinbildung inkludiert, seit Längerem auf der Agenda des Bundes. Trotz vielfältiger Bemühungen, die BM-Quote zu erhöhen, hat sich noch wenig getan: Während die durchschnittliche BM-Quote bei allen eidg. Fähigkeitszeugnissen (EFZ) technischer Richtung 12 % beträgt, liegt sie bei den Elektroberufen etwa bei 8 %, bei den HLKS-Berufen aber nur bei 4 %. Zum Vergleich die Swissmem-Branche, wo rund 25 % der EFZ-Polymechaniker/in, 45 % der EFZ-Automatiker/in, 50% der EFZ-Konstrukteur/in mit BM abschliessen.
b) Bildungscoaches
Betriebe sollen mit persönlichen Beratungen in Aus- und Weiterbildungsfragen, unterstützt werden. Sogenannte Bildungscoaches sollen Betriebe in bildungsrelevanten Fragen die Betriebe beraten, indem sie die Entwicklungsmöglichkeiten für Mitarbeitende ausfindig machen und den Mehrwert, welchen gezielte Weiterbildungsmöglichkeiten mit sich bringen, darlegen. In den HLKS-Betrieben ist diese Beratungsdienstleistung noch kaum bekannt.
Bereits ist suissetec hinsichtlich dieser Massnahme aktiv geworden: An der letzten Delegiertenversammlung hat Alois Gartmann, Leiter Bildung bei suissetec, den Auftrag gefasst, ein Konzept für ein solches Beratungsmodell auszuarbeiten. Gartmann verspricht sich viel von dieser Massnahme: «Es ist uns ein grosses Anliegen, eine neue Ausbildungskultur in der Branche zu etablieren. Häufig schieben sich im turbulenten Alltagsgeschäft andere Prioritäten nach vorne. Da wollen wir gegensteuern.»
Der schweizweite Einsatz von Coaches, die flächendeckend mindestens einmal pro Jahr jeden Lehrbetrieb besuchen sollten, kostet allerdings Geld. Man müsse den Aufwand aber mit dem wirtschaftlichen Schaden gegenrechnen, welche die HLKS-Branche mit den viel zu hohen Lehrabbruchquoten und den zu hohen Durchfallquoten bei den Qualifikationsverfahren (Lehrabschluss) erleide.
c) Quereinsteiger – verkürzte Berufsbildung
Die Roadmap schlägt u. a. vor, das Potenzial an Quereinsteigenden mit einem Abschluss der Sekundarstufe II besser zu nutzen. Konkret möchte man die sogenannte Way-Up-Lehre – wie sie Swissmem kennt und die sich an Maturand/-innen richtet – für den Gebäudebereich adaptieren. Alois Gartmann steht diesbezüglich in Kontakt mit dem Swissmem-Bildungsverantwortlichen. Das Angebot einer verkürzten Berufslehre wäre – nach seiner Einschätzung – ein Mittel, um genügend junge Menschen für die drei Gebäudetechnikplaner-EFZ motivieren zu können, weniger für die handwerklich ausgerichteten Berufe.
Nicht-formale Weiterbildung
Die Roadmap bemängelt: Die Gebäudebranche zeichnet sich durch eine vergleichsweise tiefe Weiterbildungsquote aus, obwohl es an berufsorientierten Weiterbildungen im Gebäudebereich nicht mangelt.
Die Gründe sind vielfältig: Das Angebot an nicht-formalen Weiterbildungen mag vielfältig, aber auch unübersichtlich sein. Als wichtiger Grund für die tiefe Weiterbildungsquote nennen die Autoren die fehlende Förderung durch die Arbeitgeber oder die fehlende Bildungsrendite (mehr Lohn usw.), die daraus erfolgen sollte.
a) Neue, bedürfnisgerechte Angebote
Kompetenzlücken bestehen insbesondere bei der Interdisziplinarität der Gebäudetechnik im Sinne des «Gebäudes als Kraftwerk» und der Vernetzung von Technologien (Wärmepumpe, Solarthermie, PV usw.) und auch bei der interdisziplinären Arbeitsweise und bei der Digitalisierung im Betrieb.
Es handelt sich um alle Bildungsangebote, die nicht zu einem eidgenössischen Abschluss führen, aber helfen, Lücken zu schliessen. So könnten sich Berufsleute beispielsweise nach Erhalt des eidg. Fähigkeitsausweis in kurzer Frist neue Fertigkeiten über die eigene Disziplin hinaus aneignen (z. B. Einbezug Solarthermie, PV für Heizungsinstallateure EFZ usw.). Nicht alle Angebote stossen auf fruchtbaren Boden. Rony Riedo, zuständig für Aus- und Weiterbildung im Vorstand von «Die Planer», weist auf den Umstand hin, dass der Fachkräftemangel seit Jahren andauert und man nicht untätig war: «Im Jahre 2010 startete die Passerelle Energieingenieur», welche Hochschulabsolventen die Möglichkeit bietet, mit einer einjährigen, berufsbegleitenden Ausbildung die Zusatzqualifikation ‹MAS Energieingenieur Gebäude› zu erwerben. Bekanntlich musste das Projekt mangels Nachfrage wieder eingestellt werden.» Quereinsteigende zu rekrutieren, sei ein wenig vielversprechender Weg, da andere Branchen ebenso am
Fachkräftemangel leiden.
Die momentane umweltpolitische Sensibilität sei ein attraktiver Impuls für die Bildungsoffensive Gebäude. «Es entstehen bereits jetzt neue Berufsbilder und die Klimajugend müssen wir aktiv angehen.»
Verbessern des Images
Der Bericht spricht das offenbar eher schlechte Image an, das an der Gebäudebranche zu haften scheint. Man attestiert ihr geringe Entwicklungsmöglichkeiten oder unterdurchschnittliche Saläre; Einschätzungen, die weniger auf Tatsachen, als auf Vorurteilen beruhen. Und im hart umkämpften Nachwuchsmarkt gelingt es kaum, bei jungen Frauen zu punkten.
a) Teilzeitarbeit
Angesichts des hohen Arbeitsvolumens in der Gebäudebranche scheinen Arbeitsverträge mit reduzierten Pensen wenig verbreitet zu sein. Im Maler- und Gipsergewerbe läuft zurzeit ein Projekt namens «Teilzeitbau» zur Förderung von Teilzeit-Arbeitsmöglichkeiten. Es gilt demnach, den Bedarf abzuklären und Förderprojekte durchzuführen.
b) Frauenfreundliches Arbeitsumfeld
Das heutige Arbeitsumfeld, insbesondere auf den Baustellen, gilt als wenig frauenfreundlich. Stichworte: Der raue Umgangston, die mangelnde Sanitärinfrastruktur, die harte körperliche Arbeit, die Sonderstellung als Frau in einer Männerdomäne. Die Erhöhung der Frauenquote sei alles andere als einfach zu bewerkstelligen, meint Alois Gartmann. Der Branchenverband suissetec unternimmt vieles, um Hindernisse für junge Frauen aus dem Weg zu räumen. Vieles deute darauf hin, dass junge Frauen, die Gebäudetechnikberufe wählen, zwar in der Minderzahl seien, sich aber als ehrgeiziger entpuppen. Dazu Alois Gartmann: «Bei den Schweizermeisterschaften sind mehr Teilnehmerinnen dabei als es der prozentuale Anteil der Geschlechter in den Berufslehren vermuten lässt.»
Silos aufbrechen
Die Berichts-Autoren propagieren einen regelmässigen Austausch in Bildungsfragen, um das – typisch für die Baubranche – in Gewerken verhaftete Denken und Handeln zu überwinden. Vieles deutet daraufhin, dass einige Branchenverbände die Zeichen der Zeit richtig deuten: So entwickelt suissetec gemeinsam mit Holzbau Schweiz und Gebäudehülle Schweiz ein Pilotprojekt «Gemeinsame Lernmedien Energiebildung», um so gemeinsam didaktisch aufbereitete Fachinhalte zu entwickeln. Auf der Ebene der eidg. Berufsprüfungen etwa für Energieberater/in Gebäude und Gebäudehüllen-Planer/in finden sich Berufsverbände (suissetec, Holzbau Schweiz, Maler/Gipser, Polybau) zusammen, um gemeinsam Qualifikationen zu definieren.
energieschweiz.ch > Bildungsoffensive Gebäude
Roadmap «Bildungsoffensive Gebäude» (PDF, 46 Seiten)