«Die Energiewende kommt nicht, sie ist schon da. Die Wärmepumpe ist am Markt dominant.» Mit diesen Worten begrüsste GKS-Präsident René Schürmann, Elcotherm AG Schweiz, zum Round Table Gebäudetechnik 2023. Schon seit vielen Jahren wird dieser Event alljährlich von GebäudeKlima Schweiz zusammen mit der Schweizerischen Normen-Vereinigung (SNV) organisiert. Heuer fanden sich an die hundert Vertreter aus der Gebäudetechnik-Branche sowie von Behörden und Verbänden im Kultur- und Kongresshaus Aarau ein. Zu bedenken sei allerdings, so Schürmann, dass die Kapazität der Verarbeiter wohl ein Problem werden würde: «Alle ‘Zulieferer’ werden versuchen, die Zeit für die Installation zu verkürzen. Denn während früher bei den fossilen alles schnell innert 14 Tagen ging, braucht das heute bedeutend mehr Zeit. Heute dauert es durch die Berücksichtigung vieler Komponenten 2 bis 3 Monate, bis eine Wärmepumpe installiert ist – nicht wegen der Produktion, sondern wegen des Prozederes. Die ganze Wertschöpfungskette wird sich anpassen müssen.»
Vollständige Defossilisierung im Fokus
Das erste Referat zur Wärmestrategie 2050 hielt Adrian Grossenbacher, Bundesamt für Energie, BFE. «Die Wärmestrategie basiert auf den Energieperspektiven 2050+ des BFE und ist eine Darstellung des klimaneutralen Wärmesektors und des Wegs dahin», betonte Grossenbacher. «Die vollständige Defossilisierung von Komfortwärme und Prozesswärme ist unvermeidbar und machbar.» Grossenbacher wies auf die verschiedenen Stossrichtungen der Wärmestrategie hin. Im Fokus steht dabei, dass die Gebäude energetisch zu sanieren und effizient zu betreiben sind sowie Raumwärme und Warmwasser ausschliesslich mit erneuerbarer Energie erzeugt werden. Das Potential der standortgebundenen Wärmeressourcen soll über thermische Netze vollständig ausgeschöpft werden. Strom wird im Wärmebereich effizient und im Sinne des Gesamtsystems eingesetzt und stammt aus erneuerbaren Energiequellen. Und besonders wichtig, so Grossenbacher: Die Klima- und Energiepolitik von Bund, Kantonen und Gemeinden müsse koordiniert und auf das Netto-Null Ziel ausgerichtet sein (Einführung der MuKEn in allen kantonalen Gesetzen). Ausserdem sei die Transformation zu einer CO2-freien Wärmeversorgung durch gut qualifiziert Fachkräfte umzusetzen.
Die EU wird den Takt vorgeben
Henry Wöhrnschimmel, BAFU, stellte die Kältemittel der Zukunft vor sowie die Revision der Regelungen in der Schweiz. Kältemittel können die Umwelt gefährden (Ozonschicht, Klima, Oberflächengewässer), deshalb sind internationale Abkommen sowie nationale Regelungen zum Schutz der Umwelt nötig. Aktuell ist in der EU die F-Gas-Verordnung in Verhandlung sowie der Vorschlag zur Beschränkung von PFAS (Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) das Thema. In der Schweiz liegt der Entwurf für die Anpassung von Anhang 2.10 der Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung (ChemRRV) vor. Die Vernehmlassung läuft noch bis zum 6. Oktober, der Bundesratsbeschluss erfolgt voraussichtlich im April 2024 und das Inkrafttreten ist für den 1. Januar 2025 (1. Januar 2027) vorgesehen. Bringen wird die aktuelle Revision eine Angleichung an das EU-Recht und bedeutet eine Verschärfung der Inverkehrbringensverbote, eine Verschärfung beim Nachfüllverbot für Kältemittel mit GWP > 2500 (z.B. R-404A, nur noch rezykliert, ab 2030 ganz verboten) sowie für alle Anlagen (nicht nur Füllmenge > 40 Tonnen CO2-Äquivalent) und ein Leckage-Erkennungssystem für Anlagen mit einer Füllmenge > 500 Tonnen CO2-Äquivalent. Wöhrnschimmel stellte in Aussicht, dass nach Abschluss der F-Gas-Verordnung eine umfassende Revision der Regelungen der ChemRRV zu Wärmepumpen sowie eine möglichst nahe Angleichung an die F-Gas-Verordnung erfolgen werde.
Mehr Strom aus Gebäudepark möglich als heute verbraucht
Während Barbara Guder, SNV, zur Revision der EU-F-Gas-Verordnung und Kältemittel in Wärmepumpen referierte, stellte Simon Dalhäuser, AEE Suisse, das Erreichen der Ziele der Energiestrategie 2050 in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Er verdeutlichte die Ziele der Energiestrategie 2050, zeigte auf, wo wir im Moment stehen, und gab einen Ausblick auf die Defossilisierung (=Elektrifizierung). «Beim Ausbau der Erneuerbaren geht was», sagte Dalhäuser, «doch die Herausforderungen wie das Verhältnis zu Europa bzw. die Importfähigkeit beim Strom (Stromabkommen) und der Fachkräftemangel und teilweise Lieferengpässe werden bleiben.»
Dalhäuser gab auch einen Überblick zum Stand beim Thema Energieeffizienz: Total benötigt der Schweizer Gebäudepark heute rund 100 TWh Energie pro Jahr (eine Halbierung auf 50 TWh Gesamtenergieverbrauch bis 2050 ist möglich); das sind heute ca. 45% des schweizerischen Gesamtenergieverbrauchs, davon fallen ca. 75% für die Wärmeerzeugung (Heizen und Warmwasser) sowie der Rest für Beleuchtung, Kühlung, Lüftung, weitere Haustechnik sowie elektrische Geräte an. «Das verursacht ca. 25% des inländischen CO2-Ausstosses», so Dalhäuser. «Die Gebäude in der Schweiz verursachen damit etwa 10 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente. Die komplette Defossilisierung ist dank Wärmepumpen, klimaneutralen Wärmenetzen, Biomassefeuerungen und Solarenergie möglich.»
Gemäss Dalhäuser lassen sich auf und an Schweizer Gebäuden jährlich bis zu 70 TWh Solarenergie (heute 3,6 TWh) gewinnen. Wird dieses Potential durch PV- und Solarthermieanlagen bis 2050 erschlossen, stellt der Schweizer Gebäudepark jährlich mehr Strom bereit, als die Schweiz heute insgesamt verbraucht. Um dieses Ziel zu erreichen, stehen für Dalhäuser drei Massnahmen im Vordergrund:
- die Erhöhung der Energieeffizienz;
- der Ersatz von fossil betriebenen Heizungen;
- der Zubau von Solarenergie.
Dies gelte es mit spezifischen Massnahmen politisch umzusetzen, und zwar auf Bundes-, Kantons- sowie auf Gemeindeebene. Wichtig werde vor allem sein, die CO2-Abgabe bis 2030 schrittweise auf 300 Fr./t CO2 zu erhöhen (aktuell 120 Fr./t), befristete Betriebsbewilligungen für fossile Heizungen möglichst auf Kantonsebene zu verlangen sowie den Auf- und Ausbau thermischer Netze auf Gemeindeebene zu ermöglichen.
«Es geht in die richtige Richtung»
Im spannenden Vortrag von Olivier Brenner, EndK, ging es um die Energiepolitik der Kantone und die MuKEn. Er zeigte eindrücklich die relevanten Zahlen zu den verschiedenen Energieträgern, nannte die entscheidenden Kennzahlen bei den Energieverbräuchen und machte Mut, dass wir eigentlich gut unterwegs sind: «Die Daten zeigen, es geht in die richtige Richtung.» 2022 wurden in Bestandsbauten in zirka 75% der Fälle Heizsysteme durch erneuerbare Wärmeerzeuger ersetzt. Der Gebäudepark werde zur Energiedrehscheibe mutieren und die Sektoren koppeln. Als Herausforderungen nannte Brenner die Gebäudehülleneffizienz bei Altbauten (2020: 60 TWh - 2050: 45 TWh), Raumwärme und Warmwasser hin zu erneuerbarer Wärme (2020: 47 TWhf - 2050: 0 TWhf) sowie die Stromerzeugung bei Neu- und Altbauten (2020: 2,6 TWhel - 2050: 34 TWhel). Brenner stellte zum Schluss klar: «Energie- und klimapolitische Herausforderungen und Ziele lassen sich nur gemeinsam erreichen, wobei die Kantone und die Wirtschaft wichtige Teile davon sind.»
Innovation im Bereich Wasserstoff
Stefan Jäschke, Envenion, stellte den von GKS initiierten «Leitfaden Wasserstoffeinsatz in der Industrie und der Gebäudetechnik» vor, den einzigen im deutschsprachigen Raum, und informierte über den aktuellen Stand der Technik zum Heizen mit Wasserstoff. «Die Branche ist damit technisch bereit», so Jäschke, «auch wenn noch nicht klar ist, woher der Wasserstoff kommen wird.» Derzeit erarbeitet das BFE im Austausch mit der Branche eine Schweizer Wasserstoffstrategie.
Zum Abschluss der Veranstaltung fasste GKS-Geschäftsführer Konrad Imbach die Schwerpunkte der Vorträge zusammen und betonte, dass es der Branche bei uns immer noch gut gehe. Doch die Schweiz müsse sich flexibel zeigen und sich mit Vorteil den EU-Bestimmungen anpassen. Und: «Es passiert was bei uns, es handelt sich um einen kontinuierlichen Prozess.» Im Anschluss daran waren alle zu einem Apéro eingeladen. Viele Teilnehmer nutzten die Gelegenheit, um sich weiter auszutauschen und zu vernetzen.