Wasserstoff, das Wundermittel der Energieversorgung von morgen? Expert/innen und Politiker/innen sind sich weiterhin uneins. (Bild: Getty Images)

Wasserstoff-Szenarien in der Umweltarena

Die Rolle des Wasserstoffs bei der Bereitstellung und Speicherung von Energie aus erneuerbaren Quellen sorgte für Anregungen und hitzige Diskussionen.

Am Dienstag trafen sich auf Einladung von Ruedi Meier, Präsident des Vereins «energiewende-ja», Experten und Politikerinnen zu einer Veranstaltung in der Umweltarena in Spreitenbach.
Eigentlich, so die These Meiers in der Einleitung, sei die Energiewende in der Schweiz ganz einfach zu bewerkstelligen. Fotovoltaikanlagen hätten genügend Potenzial, um so viel Strom zu produzieren, dass weder fossile Brennstoffe noch Kernkraftwerke benötigt würden. Das Ganze hätte nur einen Haken: Im Sommer hätten wir viel zu viel, im Winter aber zu wenig Strom. Es fehlen marktreife Technologien, um solche Strommengen effizient speichern zu können. Könnte Wasserstoff Abhilfe schaffen? Um genau um diese Frage sollte sich die Diskussion drehen.

Synthetische Treib- und Brennstoffe

Am Ende des Abends wurde nur eines klar: Wasserstoff wird eine Rolle spielen. Aber welche genau, darüber herrschte Uneinigkeit bis Verwirrung. Dennoch enthielt das erste Referat von Hans Michael Kellner, Geschäftsführer der Messer Schweiz AG, einige interessante Anregungen, wie eine künftige Wasserstoff-Energiewirtschaft aussehen könnte. Das Industriegas-Unternehmen ist eines der grössten Wasserstoff-Hersteller der Schweiz.
Als Vorteil von Wasserstoff nannte er u.a. die zeitlich unbegrenzte Speicherung, die Rückverstromung mit einer Brennstoffzelle, die Nutzung als Heizgas, die Verfügbarkeit eines Treibstoffs für eine CO2-freie Mobilität und die Möglichkeit, den Rohstoff für synthetische Treibstoffe zu nutzen.
Wasserstoff könnte dank seines hohen Energieinhalts (33,3 kWh/kg gegenüber 13,9 kWh/kg bei Erdgas) in Zukunft auch für industrielle Prozesse in Frage kommen. Als synthetische Substanzen sind synthetisches Erdgas SNG, synthetisches Methanol, synthetisches Kerosin usw. zu nennen.
Es tut sich Einiges zu Wasserstoff als Treibstoff. Detailhändler wie Coop bestellte jüngst 1000 LKW, die mit einer Brennstoffzelle ausgerüstet sind. Coop hat – infolge mangelnder Infrastruktur – sechs eigene H2-Tankstellen gebaut. Die wichtigsten LKW-Hersteller der Welt entwickeln nun H2-Lastfahrzeuge. Auch liefen unlängst Feldversuche mit Postautos und Personenbusse mit Wasserstoffbetrieb.

Dezentrale Produktion von H2

Interessant waren auch Kellners Ausführungen zu diversen Szenarien zur Versorgung des Individualverkehrs mit Wasserstoff (H2). Mittels Einspeisung von H2 ins bestehende Erdgasnetz könnte man sich massive Investitionen ersparen. Die Installationen für die Extraktion, Reinigung, Speicherung und Verdichtung von H2 an Verbrauchsorten wären vergleichsweise günstig zu erstellen. Noch gewagter schien das Konzept einer völlig dezentralen Produktion von H2 zuhause. Dabei dient jeweils eine Photovoltaik-Anlage für die Bereitstellung von Strom, der dann für die Elektrolyse von Wasser eingesetzt würde (daraus resultierend H2 und O2). Sonnenkollektoren dienen zudem als Wärmequelle für die Verdichter. H2-Mini-Tankstellen könnten dann überall entstehen, in Privathäusern, Einkaufzentren, Wohnüberbauungen, Parkhäuser usw. Jeder Tankstellenbetreiber könnte sein Wasserstoff über den Markt anderen anbieten.

Wasserstoff und «Autarkie»

Walter Schmid, Pionierunternehmer und Gründer der Umweltarena, referierte zu den Erfahrungen beim Bau und Betrieb des «energieautarken Mehrfamilienhauses» in Brütten. Eine Kombination aus der Nutzung mehrerer Energietechnologien unter Berücksichtigung der am Markt aktuell erhältlichen Geräte mit höchster Energieeffizienz zeichnen das Objekt aus. Zudem wurde bei diesem Projekt höchstmögliche Unabhängigkeit von äusserer Energiezufuhr angestrebt (Energieautarkie). Zwei Wasserstoffspeicher dienen der Speicherung des überschüssigen Sommerstroms.
Walter Schmid sprach auch zu seinem innovativen Ansatz, ältere Wohngebäude zu erneuern, indem eine so genannte Hybrid-Box zum Einsatz kommt. Das Gerät kombiniert die Vorteile eines (gas-basierten) Blockheizkraftwerks mit einer Wärmepumpe, um die für Gebäude nötigen Energien möglichst effizient und emissionsarm bereitzustellen. Auf die Renovation der Gebäudehülle wird verzichtet.

Energiepolitik und Publikum

Die Fragerunde – im Anschluss an die Podiumsdiskussion – geriet etwas aus dem Ruder. Die eingeladenen Gäste liessen sich nicht auf die Rolle der unwissenden Laien zurückstutzen, die nur Fragen formulieren dürfen, wohingegen auf dem Podium nicht nur Energiefachleute, sondern eingeladene Parlamentarier ihre energiepolitischen Positionen herausposaunen durften. Mehr zum Anlass im folgenden Artikel (pdf).