«Abendrot – Schönwetterbot», «Wind aus Südwest – Regennest» – wer sich auf die alten Bauernregeln verlässt, mag ab und zu einen Glückstreffer landen. Für die wirksame Prävention zum Schutz vor gefährlichen Wetterlagen setzt man heutzutage aber besser auf die moderne Meteorologie. Trotz allem gelten Wettervorhersagen jedoch nicht als exakte Wissenschaft, wie Thomas Bucheli von SRF Meteo am dreizehnten ImmoClassic in Rapperswil ausführte: «Das Wetter muss man sich wie ein riesiges Uhrwerk vorstellen, dessen winzige Zahnrädchen sich permanent drehen. Dessen Ursache ist die Sonne – wir als Meteorologen versuchen dieses System zu verstehen und seine Mechanismen vorherzusagen.»
Klima gibt es gar nicht
Als Wetter bezeichnete Bucheli den momentanen Zustand der Atmosphäre an einem bestimmten Ort. «‹Das Klima› gibt es eigentlich gar nicht», so der bekannte Wetterprophet, «es handelt sich bei dem vom Menschen benutzten Terminus um die Beschreibung des mittleren statistischen Zustands der Erdatmosphäre an einem bestimmten Ort in einem Zeitraum von mindestens 30 Jahren.»
Ob Sonne, Regen oder Föhn: «Unser» Wetter ist stets an eine Grosswetterlage gebunden, die nur im globalen oder zumindest im hemisphärischen Kontext zu verstehen (und auch vorherzusagen) ist. Wegen der ungleichen Sonneneinstrahlung steht das gesamte System «Erde-Atmosphäre» in einem dauernden energetischen Ungleichgewicht. Also versucht das System dieses Ungleichgewicht laufend auszugleichen. Ein Ventil dafür ist das Wetter. In unseren Breiten befinden wir uns zudem direkt mitten im aktivsten Spannungsfeld zwischen der polaren Kaltluft über dem Nordpol und der warmen Subtropenluft weiter im Süden. «Just über unseren Köpfen kämpfen diese beiden Luftmassen laufend um die Vorherrschaft», erklärte der Wetterfachmann, «und an diesen ‹Frontal-Zonen› kann mitunter richtig die Post abgehen. Die Kaltluft ist dabei vergleichbar mit einer Amöbe – ein einzelliges Lebewesen, das über dem Nordpol sitzt und seine kalten ‹Scheinfüsschen› nach Süden – in wärmere Breiten – ausstreckt und wieder zurückzieht.»
Nach jeder ruhigen Schönwetterphase
ist es nur eine Frage der Zeit, wann unser Land vom nächsten Kaltluftschub erfasst wird. Solche Wetterwechsel können zwar unspektakulär ablaufen, während der Sommermonate stehen die Zeichen aber oftmals auf Sturm. Wenn die Kaltluft eines ihrer Scheinfüsschen beispielsweise von Grönland her weit nach Süden bis nach Spanien oder gar Marokko ausstreckt, gelangt die Schweiz auf der Vorderseite dieses Kaltluftausbruchs in den Bereich einer warmen Südwestströmung.
Dadurch kommt über den Alpen zwar Föhn auf, zugleich aber fliesst auch recht feuchte und gewitterträchtige Mittelmeerluft ins Land. Je näher die Kaltluft von Westen her vorrückt, desto grösser wird die Gefahr, dass unsere Häuser und Gärten von einem kräftigen Hagelgewitter und von Sturmböen heimgesucht werden.
Wetter, Unwetter oder Klimawandel?
«Es ist unbestritten, dass es in den vergangenen 200 Jahren stetig wärmer geworden ist», meinte Bucheli. «Doch was heisst das jetzt für das Wetter? Müssen wir uns künftig auch bei uns auf mehr Unwetter gefasst machen? Diese Frage ist derzeit noch kaum schlüssig zu beantworten.» Zwar gebe es Mutmassungen von Seite der Klimaforscher, dass die kalten Scheinfüsschen der Kaltluft-Amöbe künftig stärker nach Süden ausgriffen, wodurch das ganze Gebilde träger würde und dadurch deutlich langsamer von West nach Ost zöge. Was bedeuten würde, dass auch wir hierzulande mitunter vermehrt eine Überdosis von gefährlichen Wetterlagen abkriegen könnten.
So ist auch die Schweiz im Hitzesommer 2003 während ungewöhnlich langer Zeit in der warmen Luft verblieben; die Kaltluft schaffte es nie richtig hierher. Im Herbst/Frühwinter 2014 hingegen befand sich die Schweiz des Öfteren während längerer Zeit auf der Vorderseite eines massiven Kaltluftausbruchs im Bereich einer Südwest- bzw. Föhnlage. Mit der Folge, dass es im Norden sehr mild war, während es im Süden durch den intensiven Regen zu verheerenden Erdrutschen gekommen ist.
Einzelne Unwetter sagen nichts über Klimawandel aus
«Es gilt jedoch zu beachten», so Bucheli, «dass jede einzelne Unwetterlage für sich betrachtet noch überhaupt keinen Hinweis auf einen allfälligen Klimawandel gibt. Ein Wetter allein – wie spektakulär und gefährlich auch immer – ist, wie bereits erwähnt, noch lange kein Klima.» So könne selbst eine mehrjährige Serie von aussergewöhnlichen Wetterlagen in einer dreissigjährigen Messperiode statistisch «verschwinden». Dagegen sei es sehr wahrscheinlich, dass sich das Wetter in einer wärmeren Atmosphäre anders verhalte und möglicherweise auch bei uns vermehrt stärker «ausschlage». «So sind wir bestimmt gut beraten, wenn wir uns frühzeitig auf diese Möglichkeit vorbereiten», betonte Bucheli. «Sei es eben mit sinnvollen Präventivmassnahmen – und natürlich mit dem Verfolgen der Wetterprognosen.»
Die Möglichkeiten und Grenzen der meteorologischen Prognostik
«Für uns Meteorologen gilt es, frühzeitig zu erkennen, wann, wo und auf welche Weise unser Land vom nächsten Unwetter erfasst wird», erklärte der Wettermacher. «Dazu stützen wir uns primär auf Wetterkarten, die die künftige Verteilung der Warm- und der Kaltluft auf der nördlichen Hemisphäre und über dem Grossraum Europa zeigen. Solche Wetterkarten basieren auf sehr komplizierten Berechnungen und sind nur dank enorm leistungsfähiger Grossrechner überhaupt möglich.» Allerdings seien diese Berechnungen bzw. Wettermodelle nicht völlig exakt. Und auch die Bestimmung des momentanen Ist-Zustandes des Systems «Erde-Atmosphäre» könne trotz modernster Messmethodik (beispielsweise mit Satelliten) nicht zu hundert Prozent in allen Details ermittelt werden. Diese beiden kleinen Geburtsfehler führten dazu, dass sich auch bei der Prognose immer gewisse Unsicherheiten einschleichen. Diese Unsicherheiten werden üblicherweise grösser, je weiter man in die Zukunft blickt. Spätestens ab dem zehnten Vorhersagetag stösst die Kunst der modernen Meteorologie an ihre Grenzen. Die Unsicherheiten werden zu gross, als dass noch vernünftige Vorhersagen möglich wären.
Sehr grosse Fortschritte in der Wetterprognostik
«Dennoch sind die Fortschritte in der Wettervoraussage der letzten 30 Jahre phänomenal», freute sich Bucheli. «Die Prognosequalität hat sich stark verbessert. Heute erzielen wir Meteorologen für den vierten und gar fünften Tag dieselbe Trefferquote wie vor 30 Jahren noch für den zweiten Tag. Für ‹morgen› liegt die Trefferquote inzwischen bei über 90 Prozent.»
Mit immer besseren Prognosen steigen natürlich auch die Erwartungen des Publikums. Man erwartet heute exakte Punktprognosen und das über mehr als eine Woche im Voraus. «Wenn dann die Prognose nicht im gewünschten Masse zutrifft, sind die Leute sehr enttäuscht oder gar entrüstet», meinte Bucheli zum Schluss. «Diese hohen Erwartungen sind aber auch Ansporn für uns Meteorologen. Gestützt von einem Heer von Physikern, Informatikern und Technikern entwickeln wir unsere Wissenschaft stetig weiter. In der Hoffnung, dass unsere Ausführungen vom Publikum auch richtig verstanden werden.»
Der ImmoClassic 2015 hat mit seinem hochkarätigen Referenten und seinem Ambiente auch heuer als einer der wichtigsten Netzwerk- und Infoanlässe für die Bau- und Immobilienbranche am oberen Zürichsee überzeugt.