„Meine Mitarbeiter sind mir genauso wichtig wie meine Kunden“

(Foto: Adobe Stock)

08.10.2025
Rolf Leicher / PW

Personalnotstand im Blickpunkt

Mitarbeitende, die nicht kündigen, müssen auch nicht ersetzt werden. Eine gute Bindung der aktuellen Team-Mitglieder ist wichtig und oft weniger aufwändig als das Suchen und Finden neuer Fachleute. Online-Stellensuche ist heute normal. So oder so sollten vor der Bewerbung in einem Vorab-Telefongespräch die wichtigsten Randbedingungen geklärt werden.

Bei Personalmangel steht die Bindung der Mitarbeitenden im Blickpunkt, weil sich neues Personal schwer rekrutieren lässt. Unter dem Begriff „Retention“ (to retain: festhalten, bewahren) werden Bindungsfaktoren verstanden, mit denen die Fluktuation verringert wird. Werden Bindungsfaktoren verstärkt, sinken die Kündigungen im gleichen Umfang.

 

Time to say goodbye

Zufriedenheit mit dem Gehalt (Good Pay) hat für alle oberste Priorität. Wenn Unzufriedenheit mit dem Gehalt zum Stellenwechsel führt, muss die Differenz  spürbar sein. Nicht immer ist es die Unzufriedenheit mit dem Gehalt, die Mitarbeitende zum Stellenwechsel antreibt. Von „Kipppunkt“ spricht man, wenn noch Unzufriedenheit in anderen Bereichen hinzukommt, zum Beispiel mehr Überstunden als bisher. Für die meisten ist es wichtig, dass alles, was man mit dem Begriff „Arbeitszufriedenheit“ bezeichnet, weitgehend stimmt: Gleichbehandlung, Erreichbarkeit zum Arbeitsplatz, Stimmung im Team, die neueste Technik, Flexibilität der Arbeitszeiten, bezahlte Überstunden, Entgegenkommen bei persönlichen Wünschen. Auch erstklassiges Betriebsklima und ein eingespieltes Team können Gehaltswünsche teilweise kompensieren. Vor der offiziellen Eigenkündigung steht die „innere Kündigung“ des Mitarbeitenden, die für Vorgesetzte erkennbar ist, wenn jemand plötzlich viel kritisiert und sich dem Team gegenüber verschliesst. Von der ersten Überlegung bis zur Kündigung ist es für den Betreffenden ein langer Weg, wer genau hinsieht, erkennt seine Unzufriedenheit. Nachlassende Zufriedenheit wirkt gruppendynamisch und strahlt auf das gesamte Team aus. Daher kann es auch zur „Ketten-Reaktion“ kommen. Wenn jemand kündigt, könnte auch ein Kollege seine Kündigung einreichen: Fluktuation fördert Fluktuation.

Ist die Kündigung ausgesprochen, gibt es meist keinen Weg mehr zurück, denn man kündigt erst, wenn man schon woanders unterschrieben hat. Wenn der Arbeitgeber sein Team beobachtet, müsste es auffallen, wenn sich jemand mit der „Inneren Kündigung“ befasst. Kritische Äusserungen können schon ein erstes „Warnzeichen“ sein und sollten nicht überhört werden. Ein Gewitter kommt nur selten aus heiterem Himmel, sondern bahnt sich an und ist erkennbar. Bei Eigenkündigung eines Mitarbeiters betreibt man Selbstreflexion: Was ist die Ursache der Kündigung? Was kann man präventiv tun? Andererseits lässt man sich durch Forderungen eines Mitarbeitenden nicht erpressen. Jemanden mit „Gewalt und Überredung“ festhalten, funktioniert nur kurzfristig. Wer Zugeständnisse macht, um ihn zu halten, verliert an Autorität, und wird „ausgenutzt“. Personal lässt sich halten durch die Wertschätzung des Vorgesetzten, durch die Bestätigung, dass jeder durch seine Arbeit Werte schafft und zum Betriebserfolg beiträgt. Erfreulich, dass dies in vielen Betrieben erfolgreich realisiert wird. 

 


Typische  Kündigungsgründe:

  • Arbeitszeiten und Überstunden                   
  • Veraltete Technik und  Geräte
  • Schlechtes Betriebsklima                             
  • Unzufriedenheit mit dem Gehalt
  • Mangelnde Entwicklungschancen               
  • Stellenangebote einer anderen Firma
  • Ungerechte Aufgabenverteilung                    
  • Unzufriedenheit mit der Führung
  • Ständiger Termindruck                       
  • Wenig Selbstständigkeit      
  • Probleme mit Kollegen                                   
  • Permanenter Stress       

 

Prävention von Offboarding 

Man unterscheidet zwei Arten der Prävention. Die primäre Prävention zielt darauf ab, die Neigung zu einem Abbruch erst gar nicht entstehen zu lassen. Mit der sekundären Prävention will man den drohenden Abbruch rechtzeitig erkennen und gegensteuern.

Erkennt der Arbeitgeber Warnsignale? Ein Bleibegespräch mit dem wechselwilligen Mitarbeiter lohnt sich. Mögliche Reaktionen im Gespräch: Der Mitarbeiter versichert, dass die Befürchtungen der Firma unbegründet sind. Oder er gibt zu, dass er tatsächlich nach einer Job-Alternative sucht und fest entschlossen ist, zu kündigen. Bei Aushilfen ist die Fluktuation in oder gleich nach der Probezeit unverhältnismässig hoch. Liegt es daran, dass im Einstellungsgespräch zu viel versprochen wird? Oder daran, dass der Bewerber zu hohe Erwartungen hat? Sorgfältiges „On Boarding“ vermeidet jedenfalls schnelles „Off Boarding“.

 

Mitarbeiterbindung  verhindert Fluktuation

Die Zufriedenheit der Mitarbeiter zu schaffen, ist das Mindestziel, das Maxi-Ziel wäre  Mitarbeitende so zu motivieren, dass sie sich an die Firma gebunden fühlen, dass sie ein Teil des Betriebs sind. Besonders motivierend sind Lob und Anerkennung bei besonderen Leistungen, die zu den klassischen Bindungsfaktoren gehören, auch wenn Kritiker meinen, der Betrieb sei kein Streichelzoo. Arbeitgeber haben die Situation erkannt und binden ihr Team durch intensive Beziehungspflege. Ein ausgeprägtes Wir-Gefühl reduziert Kündigungen. Gelegentlich kann auch Mobbing durch Kollegen eine Kündigung auslösen. Hat der Chef ein Auge auf die Zusammenarbeit und die Stimmung in seinem Team, erkennt er kritische Situationen und kann bei Mobbing einschreiten. Der Kunde ist König heisst es überall. Die Einstellung „Meine Mitarbeiter sind mir genauso wichtig wie meine Kunden“ muss für das Personal erkennbar sein.

Kleine und mittelständische Unternehmen haben keinesfalls schlechte Karten, wenn es um die Attraktivität des Arbeitsplatzes geht. Die sogenannte „Arbeitgebermarke“ (Employer Branding) bindet Mitarbeiter durch Arbeitsatmosphäre, Gestaltungsfreiheit und zeitgemässe Führung. Flache Hierarchien und die Identifikation der Arbeitnehmer mit der Firma sind nachhaltige Bindungsfaktoren. Die Einflussnahme des Einzelnen auf den Betriebsalltag wird von Mitarbeitern sehr geschätzt. Aspekte wie „Work Life Balance“, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, gehören zu den Top-Bindungsfaktoren.

 

Die Verabschiedung
Hat jemand gekündigt, ist das Arbeitsverhältnis noch nicht beendet. Arbeitgeber empfinden die Kündigung manchmal als persönliche Kränkung und verhalten sich bis zum letzten Arbeitstag frostig zum Betreffenden. Bei der Verabschiedung sollt man sich die Hand reichen, um sich mit gutem Gefühl zu trennen. Eine gute Trennung hat intern wie extern einen positiven Effekt auf den Kreis der Kollegen und verhindert die Gefahr, dass der ausscheidende Mitarbeiter negativ über den Betrieb spricht. Nach der Eigenkündigung muss bewusst darauf geachtet werden, dass das Selbstwertgefühl bis zum letzten Arbeitstag erhalten bleibt. Sonst fragen sich die Kollegen, ob ihnen das auch passieren kann, wenn es zur Kündigung kommt.  

 


Die Top-Bindungsfaktoren:

1.    Einflussnahme der Mitarbeiter auf den betrieblichen Alltag

2.    Work-Life-Balance, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie

3.    Wahrnehmung und Wertschätzung des Einzelnen

4.    Lohn und Gehalt, Zahlung der Überstunden

5.    Zufriedenheitserlebnisse durch Erfüllung kleinerer Privatwünsche

6.    Moderne Arbeitsplätze, neueste Technik

7.    Wohlfühlatmosphäre durch erstklassiges Betriebsklima

8.    Kooperativer Führungsstil

9.    Vermeiden von permanenter Überforderung

10.  Image und Markterfolg des Betriebs


 

Hohe Anforderungen reduzieren 

Es besteht die Tendenz, bei der Einstellung hohe Anforderungsprofile aufzustellen, die jemanden von der Bewerbung abhalten: „erfahren, vielseitig einsetzbar, flexibel, teamfähig, belastbar, durchsetzungsfähig ...“. Bei zu hohen Anforderungen fühlen sich die Interessenten überfordert, und die Stelle bleibt vakant. Mit Minimal-Anforderungen haben Bewerbende die Chance, auch wenn der Anforderungskatalog nicht voll erfüllt werden kann. Auch ein Wiedereinsteiger kann ermutigt werden, sich zu melden, wenn die Einarbeitung schon in der Stellenausschreibung erwähnt wird.  

 

Online ist in

Je jünger die Bewerbenden, desto häufiger benutzen sie das Netz, wenn sie eine Stelle suchen. Angebote in den verschiedenen Jobbörsen sind eine verbreitete Form des E-Recruiting. Über Links zu anderen Seiten können weitere Informationen im Stellenangebot hinterlegt werden. Automatische Suchagenten informieren interessierte Suchende per Mail über aktuelle Stellenangebote. Mittels gezielter Anfrage von Suchkriterien, die vorher vom Stellenanbieter hinterlegt worden sind, können die Suchenden die Angebote auf den Webseiten passgenau herausfiltern. Xing ist ein Netzwerk, das Mitglieder vorrangig nutzen, um ihre bestehenden beruflichen Kontakte zu verwalten und neue zu knüpfen, das bietet dem Stellenanbieter auch die Chance interessante Arbeitnehmer zu finden. Grundsätzlich können sich aber durch Online-Informationen auch die Wettbewerber des Anbieters in unerwünschter Weise über Details informieren.

Kleine und mittelständische Betriebe haben keine schlechten Karten, wenn es um die Attraktivität des Arbeitsplatzes geht. Die sogenannte „Arbeitgebermarke“ (Employer Branding) und ein gutes Image bringen tatsächlich mehr Bewerbungen. Der Ruf ein beliebter Arbeitgeber zu sein, entscheidet auch über die Wahl der Ausbildungsbewerbungen. Die Arbeitgeber-Marke ist die Antwort auf die Frage, was ein Unternehmen einem Bewerber bietet, wie es in Fachkreisen wahrgenommen wird. Erfreulich, wenn Betriebe sich mit dem Thema „Employer Branding“ befassen. Auch die Bewertungsplattformen werden interessiert gelesen. Die 2-Sterne-Bewertung im Internet kommt zwar sehr selten vor, schreckt aber Arbeitsplatzsuchende ab. Und ist schlecht fürs Image des Stellenanbieters.

 

Bewerber-Hotline

Bevor sich jemand offiziell bewirbt, will er erst einmal telefonische Vorab-Informationen und ruft  den Stellenanbieter an. Das sollte man akzeptieren und in der Ausschreibung sogar erwähnen. Ein Vorab-Telefonat mit einer Aufforderung an Bewerbende, zu bestimmten Zeiten anzurufen, gehört zum professionellen Recruiting. Im Vorab-Telefonat kann der Stellenanbieter entscheiden, ob sich ein Vorstellungsgespräch mit dem  Interessenten lohnt. Das Telefonat ersetzt nicht das spätere persönliche Gespräch, aber die schriftliche Bewerbung macht erst Sinn, wenn die Rahmenbedingungen am Telefon geklärt sind.

Inzwischen entscheiden sich immer mehr Firmen für eine Online-Bewerbung, ein Bewerbungsportal, auf dem Bewerbende ihre Angaben wie in einem Formular eintragen. Auf die übliche Zusendung der Bewerbungsunterlagen wird dann verzichtet. Bei mehreren Bewerbungen hat der Stellenanbieter damit eine bessere Vergleichsmöglichkeit. Über den Erfolg dieser Methode gibt es allerdings in unserer Branche noch wenig Erfahrung.

Wer sich bewirbt, sieht sich auch auf der Bewertungsplattform um. Eine 2- oder 3-Sterne-Bewertung des Stellenanbieters im Internet kommt zwar selten vor, schreckt aber Bewerber ab. Und ist schlecht fürs Image des Stellenanbieters. Die 5-Sterne-Bewertung des Stellenanbieters ist ideal, erzeugt Interesse und bringt mehr Bewerbungen. 


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