Energiemanagement

Die 120 m lange Druckkammer, beidseitig abgeschlossen durch

Strom aus Druckluftkraftwerk

Der Gotthard hält dicht

Elektrische Energie lässt sich chemisch in Batterien speichern oder

physikalisch mithilfe von Pumpspeicherwerken. Ein noch wenig erprobter Weg ist die Speicherung von Elektrizität in Form von Druckluft. Eine Testanlage in einem ehemaligen Tessiner Neat-Stollen hat nun die Machbarkeit dieser Speichertechnik grundsätzlich bestätigt. Die Promotoren der Technologie sind überzeugt, mit Druckluftspeichern mittel- und langfristig einen Beitrag zur Einbindung des unregelmässig anfallenden Solar- und Windstroms in die Energieversorgung leisten zu können.

Gotthard-Granit ist hart, aber nicht undurchdringlich. Der Fels wird von Wasseradern durchzogen, und bisweilen gibt es Gesteinsschichten, die wie Sand zerbröseln. Wer im Gotthard Druckluft speichern will, der muss also erst einmal prüfen, ob der Fels dicht genug ist. Genau das hat Giw Zanganeh von der Tessiner Firma Alacaes SA in den letzten Monaten getan. Der an der ETH Zürich ausgebildete Maschinenbauer hat gemeinsam mit Forscherkollegen mehrere Monate tief im Innern des Gotthards zugebracht, um die Dichtigkeit des Gesteins zu erforschen: "Wir konnten mit unseren Messungen zeigen, dass Stollen im Gotthard dicht genug sind, um Luft unter hohem Druck zu speichern", berichtet Zanganeh. Damit rückt die Vision eines Stromspeichers im Gotthardgranit einen Schritt näher: Überschüssige elektrische Energie zum Beispiel aus Wind- und Solarkraftwerken würde dabei in Druckluft umgeformt und tief im Fels gespeichert. Sobald ein Bedarf besteht, kann die Druckluft über einen Generator wieder in Strom rückverwandelt und den Stromkonsumenten zur Verfügung gestellt werden.

Der Felsen ist dicht und stabil

Die Firma Alacaes möchte einen solchen Speicher bauen. Seit 2014 hat sie einen ausgedienten Neat-Stollen nördlich von Biasca (TI) so hergerichtet, um die Speicherung von elektrischem Strom in Druckluft testen zu können: Ein 120 m langer Abschnitt des Stollens wurde beidseitig mit einem 5 m dicken "Betonzapfen" abgeriegelt. Jeder der beiden Zapfen enthält eine 7 t schwere Stahltür, die den Zugang zur Druckkammer ermöglicht. Die Wände des Felsstollens sind mit Spritzbeton versehen, wie er üblicherweise bei Tunnels verwendet wird.

Im Herbst 2016 fand im umgebauten Neat-Stollen eine Messkampagne statt. Die Alacaes-Forscher schafften es, Luft bei einem Druck von 7 bar im Fels zu speichern. "Wir haben vom Fels selber keine Verluste beobachtet und feststellen können, dass sich der Felsen grundsätzlich für einen Druckluftspeicher eignet", fasst Giw Zanganeh das Hauptergebnis zusammen. Damit konnte das Team um Zanganeh die vorgängigen theoretischen Berechnungen mit Messungen bestätigen. "Unter dem Einfluss der Druckluft bewegt sich der Berg nicht; wir haben keine relevanten Verschiebungen im Gestein beobachtet."

550 °C heisse Druckluft

Für diese Erkenntnis mussten die Forscher einen beträchtlichen Aufwand betreiben, wie ein Augenschein vor Ort zeigt. Vom Bahnhof Biasca sind es mit dem Auto nur wenige Minuten zum Eingang des knapp 3 km langen Felsstollens, der etwa einen Kilometer entfernt vom Neat-Südportal beginnt und während der Bauzeit dazu diente, das ausgebrochene Gestein von der Leventina (Pollegio) durch den Berg ins Bleniotal (Loderio) wegzutransportieren. Die Druckkammer liegt 700 m tief im Berg. Hier ist Gesteinsüberdeckung stark genug, um die Drücke auszuhalten, die in der geladenen Druckkammer herrschen.

Am Eingang der 120 m langen Druckkammer stehen die Geräte, welche den elektrischen Strom in Druckluft verwandeln. Künftig soll dazu ein adiabatischer Kompressor verwendet werden. Adiabatisch bedeutet, dass die bei der Verdichtung der Luft entstehende Wärme nicht an die Umgebung abgegeben wird (durch Kühlung des Kompressors), sondern in der Druckluft verbleibt. Da adiabatische Kompressoren für die relativ kleinen Dimensionen der Pilotanlage nicht verfügbar sind, wird die heisse Druckluft im Tessiner Experiment mit einer Hilfskonstruktion erzeugt: Zwei Kompressoren verdichten die Umgebungsluft schrittweise auf den gewünschten Druck, und ein Heizgerät bringt sie anschliessend auf 550 °C. Die heisse Druckluft wird anschliessend über ein Rohr in die Druckkammer geleitet.

Einfacher und leistungsfähiger Wärmespeicher

Das Herzstück der Versuchsanlage steht in der Druckkammer selber: der thermische Speicher, der die in der Druckluft enthaltene Wärme aufnimmt, solange der Druckluftspeicher geladen ist (siehe Kasten). Der Wärmespeicher ist von fast schon enttäuschender Einfachheit: eine 10 m lange, gut 2 m breite und fast 3 m hohe Betonwanne, angefüllt mit 44 m3 Steinen von ca. 2 cm Durchmesser, wie sie in jedem Fluss vorkommen. Die heisse Druckluft durchströmt während des Ladevorgangs das Gesteinsbett und gibt die Wärme an die Steine ab. So einfach das Prinzip des Wärmespeichers - Auslegung und Bau sind höchst anspruchsvoll. Die Form musste thermodynamisch und mechanisch optimiert werden, und im Inneren kommen speziell entwickelte Betonziegel zum Einsatz, die hohe Temperaturen aushalten und sich der mechanischen Belastung der Steine widersetzen müssen. Ist der Speicher geladen, sind hier zwei Drittel der Energie als Wärme gespeichert, das restliche Drittel in der Druckluft. Der Ladevorgang dauert (wie später der Entladevorgang) bis zu 60 Stunden. Die Temperatur in der Druckkammer erhöht sich beim Laden von den 18 °C, die hier im Fels normalerweise herrschen, auf 21 bis 23 °C. Die Testanlage einschliesslich Wärmespeicher ist mit einem Netz von rund 150 Messsensoren ausgerüstet, die während der Versuche Temperatur, Druck und weitere Werte aufzeichnen und über ein Glasfaserkabel in den Kontrollraum am Stollenportal transportieren. Oberflächenextensometer zeichnen allfällige Bewe-gungen auf, mit denen der Fels auf die Druckerhöhung reagiert. Zudem sind in der Druckkammer 4 Kameras eingerichtet. Sie stammen aus der Unterwasserforschung und halten bis zu 100 bar Druck aus. Die beiden "Zapfen", die den Speicher an den Stirnseiten verschliessen, werden mit speziellen Bewegungssensoren (Tachymetern) vermessen.

Kugelförmige Kavernen

Mit dieser Testanlage haben die Forscher nun nachgewiesen, dass ein adiabatischer Druckluftspeicher im Felsinnern funktionieren könnte. Bis ein Druckluftspeicher für Elektrizität tatsächlich zur Verfügung steht, sind allerdings noch wichtige Hürden zu nehmen: Der Speicher müsste vergrössert werden, damit die Speicherkapazität - heute bei 1 MWh - auf 100 MWh und mehr wächst. Zudem muss die Druckkammer um einen adiabatischen Kompressor (verwandelt beim Laden Strom in Druckluft) und die Druckluftturbine (verwandelt beim Entladen Druckluft in Strom) ergänzt werden. Klar ist dabei: Felsstollen sind für die kommerzielle Druckluftspeicherung nicht optimal geeignet. Dafür würden wohl kugelförmige Felskavernen ausgebrochen, da die Kugelform physikalisch vorteilhaft ist. Auch müssen erheblich höhere Drücke erreicht werden als die bisher realisierten 7 bar.

Das vom BFE als Pilot- und Demonstrationsprojekt unterstützte Vorhaben bei Biasca hat wichtige Erkenntnisse hervorgebracht. Auf der Grundlage dieses Wissen wird die Firma Alacaes nun entscheiden, ob sie den Baueines adiabatischen Druckluftspeicher anpackt. Dazu Francesco Bolgiani, Präsident des Alacaes-Verwaltungsrats: "Wir sind in fortgeschrittenen Gesprächen mit internationalen Spitzenakteuren, um die nächsten Schritte zu definieren." Die Promotoren beziffern die Speicherkosten in einem kommerziellen Druckluftspeicher auf 150 EUR/kWh installierte Kapazität, deutlich weniger als eine Batterie (1000 EUR/kWh). 

Druckluftbatterie in den Alpen (www.tagesanzeiger.ch)