Energiemanagement

Martin Nicklas und Oliver Bosshard

Martin Nicklas (l.) und Oliver Bosshard. (Foto: Nicolas Zonvi)

Energiecontracting: Hin zur vernetzten Dienstleistung

Die Energieversorgung rund ums Gebäude wird immer lokaler. Haustech unterhielt sich mit den beiden Energieexperten Martin Nicklas und Oliver Bosshard von EKZ über die Gebäudetechnik der Zukunft, Zielkonflikte zwischen Vertrieb und Technik und darüber, was sie in ihrer Arbeit antreibt.

Herr Nicklas, seit rund einem Jahr leiten Sie das Energiecontracting von EKZ. Wie haben Sie dieses erste Jahr erlebt?

Martin Nicklas: Spannend, herausfordernd und bewegt. Ich kannte diesen Geschäftsbereich bereits aus meinen früheren Tätigkeiten und wusste, dass dort schon seit vielen Jahren investiert und erfolgreich gearbeitet wird. Dementsprechend gross sind auch die Erwartungen in diesen Bereich, der als eine Art Speerspitze der dezentralen Energieversorgung rund ums Gebäude funktioniert. Es ist sicherlich eine herausfordernde Zeit, weil wir spezielle Rahmenbedingungen erleben wie beispielsweise die aktuelle Tiefzinssituation.

Was bedeutet diese für Ihr Geschäft?

Martin Nicklas: Sie ist für uns eine Riesenherausforderung. Die Gebäudetechnikanlagen oder zumindest einen grossen Teil davon zu finanzieren, ist das ursprüngliche Geschäftsmodell des Contractings. Aufgrund der niedrigen Zinsen entscheiden sich viele Kunden, ihre Anlage selbst zu finanzieren. Wir verstehen uns aber heute als Gesamtdienstleister. Wir koppeln aus der Wärmeenergie und der Kälte, aus dem Strom und der E-Mobilität Lösungen massgeschneidert für unsere Kunden, bieten also ein Rundum-Sorglos-Paket. Damit bieten wir neben der Finanzierung vor allem eine integrierte, vernetzte Dienstleistung rund um die Themen Komfort und Service für unsere Kunden an.

Herr Bosshard, Sie sind schon etwas länger beim Unternehmen, rund acht Jahre. Wie hat sich das Umfeld während dieser Zeit in Ihren Augen verändert?

Oliver Bosshard: Ich durfte in den acht Jahren, die ich bei Unternehmen bin, verschiedene Phasen in der Projektierung durchlaufen, vom Projektleiter über Teamleiter zum Leiter der gesamten Technik im Energiecontracting. In dieser Zeit hat sich die Gebäudetechnik enorm verändert. Die Palette ist viel breiter geworden. Früher hat es gereicht, eine erneuerbare Quelle zu erschliessen, um ein Gebäude zu heizen. Heute kommen andere technische Aspekte hinzu: Automatisierung, Überwachung, Steuerung bis ins Gebäude und insbesondere auch die Verknüpfung mit Ladeinfrastrukturen für E-Mobilität und Photovoltaik. So hat sich auch das Berufsbild vom klassischen HLK-Projektleiter zum Gesamtprojektleiter über verschiedene Gewerke gewandelt.

Gerade die Steuerungssysteme dürften in dieser Zeit komplexer geworden sein.

Oliver Bosshard: Definitiv. Unser Vorteil ist, dass sich unsere eigene Steuerungstechnik-Abteilung schon lange mit der Automation beschäftigt. Zudem sprechen wir uns mit den Zulieferern ab und verfügen über die neuesten Komponenten. Wir haben ein eigenes Testlabor, in dem wir die neuen Komponenten prüfen, bevor sie im Feld eingesetzt werden. Dadurch erreichen wir einen hohen Standardisierungsgrad.

Was sind die Vorteile, dass EKZ nicht nur die Planung, sondern auch den Betrieb der Anlagen übernimmt?

Oliver Bosshard: Für den Kunden hat dies einen sehr grossen Vorteil, da es weniger Schnittstellen gibt. Er hat 30 Jahre ein Rundum-Sorglos-Paket und muss sich um nichts mehr kümmern. Da wir bereits bei der Planung aktiv sind, kennen wir jede Anlage im Detail und können auf Kundenwunsch die Anlage erweitern. Unser Anspruch ist es, langfristig hochwertige Komponenten einzusetzen.

Martin Nicklas: Das Verständnis bei unseren Kunden für diese Tatsache zu schaffen, ist in meinen Augen einer der Schlüssel, um erfolgreich zu sein. Hier wollen wir ansetzen und ihnen die Vorteile unseres langfristigen Modells aufzeigen.

Welche Rolle spielt dabei die Sektorkopplung, also die Kombination von Heizungsanlage mit Photovoltaik und Elektromobilität?

Martin Nicklas: 30 Prozent unserer Aufträge kommen inzwischen aus diesem Bereich. Durch die neuen Möglichkeiten, die sich durch die energetische Kopplung der Energiesysteme und auch den Zusammenschluss für den Eigenverbrauch ergeben, wird ein ganz anderes Niveau von Mess-, Steuer- und Regelungstechnik als auch von Mess- und Abrechnungsdienstleistungen nötig. Daraus ergibt sich für uns ein Gesamtpaket, das wir als Firma anbieten können. 

Oliver Bosshard: Man muss auch sehen: Aus Sicht des Kunden ist die Gebäudetechnik im Hinblick auf die Gesamtkosten nur ein kleiner Bereich eines gesamten Bauprojekts, und er hat vielleicht nicht den Willen, sich mit jedem einzelnen technischen Problem auseinanderzusetzen. Mit unseren Lösungen können wir ihm das ganze Paket aus einer Hand anbieten.

Die Vernetzung zwischen den Gewerken wächst. Wie gewährleisten Sie da die Ausfallsicherheit der Anlagen?

Oliver Bosshard: Wir realisieren unsere Anlagen redundant, zudem haben wir einen hohen Überwachungsstandard. So sehen wir die Störungen normalerweise schon, bevor der Kunde sie bemerkt. Natürlich ist die Vernetzung dabei eine Herausforderung: Es gibt immer mehr Komponenten, die ausfallen können. Auch hier ist es ein Vorteil, dass wir die von uns geplanten Anlagen auch selbst betreiben. So können wir die Erfahrungen aus dem Betrieb in die Optimierung der nächsten Anlage einfliessen lassen.

Ein anderer sensibler Sicherheits­aspekt betrifft die Daten. Wie gehen Sie damit um?

Martin Nicklas: Der Datenschutz hat bei uns einen hohen Stellenwert. Unsere Daten werden lokal auf unseren eigenen Servern gespeichert. Der Zugriff auf diese Daten ist sehr restriktiv. Zudem haben wir ein entkoppeltes System mit unseren anderen Geschäftsbereichen, was auch vom Regulator so vorgegeben ist.

Inwiefern beeinflussen die aktuellen regulatorischen Rahmenbedingungen Ihr Geschäft?

Martin Nicklas: Jeder Schritt, der nicht in Richtung Energiewende getan wird, ist für uns ein Bremsklotz. Oder positiv formuliert: Uns hilft jede Rahmenbedingung, die regulatorisch in die Richtung CO2-frei umgesetzt wird. Ich hoffe, dass entweder das CO2-Gesetz oder dann die MuKEn bis 2023 klare Rahmenbedingungen definieren, die uns bessere Möglichkeiten bieten als bisher. Auch hier reden wir aber wieder von mehreren Jahren. Und die Aussicht, dass in drei bis vier Jahren vielleicht alles besser wird, nützt mir heute nichts, denn wir müssen mit den jetzigen Rahmenbedingungen Monat für Monat unsere wirtschaftlichen Ziele erreichen.

Hier spricht der Manager. Gibt es zwischen Wirtschaft und Technik denn auch Zielkonflikte?

Martin Nicklas: Es ist wie in jedem Betrieb, der einen Vertrieb und eine Technik-, Entwicklungs- oder Planungsabteilung hat. Es besteht ein Spannungsfeld zwischen unseren Angebotspreisen, die wir von Vertriebsseite konkurrenzfähig gestalten wollen, und der geforderten Qualität, die für 30 Jahre halten muss. Natürlich gibt es hier intern immer wieder Diskussionen und ein Tauziehen.

Oliver Bosshard: Gerade für solche Situationen haben wir Gefässe geschaffen, in denen wir uns regelmässig austauschen können. In unserer technischen Kommission setzen sich Personen aus der Kalkulation, dem Betrieb, der Technik und dem Vertrieb an einen Tisch, um so im demokratischen Weg die bestmögliche Lösung zu finden.

Wenn Sie nun für einen Tag die Rollen tauschen müssten: Wo sähen Sie die grösste Herausforderung?

Martin Nicklas: Wie vorher erwähnt,haben wir heute einen Wandel. HLK-Ingenieure übernehmen vermehrt die Rolle eines Gesamtprojektleiters. Aus diesen hochqualifizierten Fachleuten hervorragende Energieplanungs-Generalisten zu machen, sie mit auf die Reise zu nehmen und ihnen die Freude an ihren neuen Aufgaben zu vermitteln, wie du das machst, Oliver, das wäre wohl eine der grössten Herausforderungen in deinem Job.

Oliver Bosshard: Es tauchen heute ja immer wieder neue technologische Entwicklungen auf, seien es nun Batteriespeicher, sei es Power-to-Gas, seien es neue Abrechnungsmodelle mit Blockchain. Hier strategisch auf das richtige Pferd zu setzen, abzuschätzen, wo man bereits einsteigen und wo hingegen man besser noch abwarten soll – dies sähe ich als meine grösste Herausforderung, wenn ich mit Martin die Rolle tauschen würde.

Eine persönliche Frage zum Schluss: Was macht Ihnen in Ihrer Tätigkeit am meisten Freude?

Oliver Bosshard: Ich darf mich täglich mit sehr technischen, komplexen Themen auseinandersetzen, was mir sehr viel Freude macht. Zudem kann ich einen Beitrag leisten zur Dekarbonisierung unserer Gesellschaft, indem ich mithelfe, technische Konzepte zu entwickeln und nachher zu betreiben.

Martin Nicklas: Das geht mir ganz ähnlich. Einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten, ist mir in all meinen Tätigkeiten ein grosses Anliegen. Energie ist ein leidenschaftliches Thema von mir, von Strom bis Heizwärme, von PV bis Elektromobilität. Zusammen mit meinem Team die Lösungen in diesen Bereichen voranzutreiben, das macht mir Spass und spornt mich täglich an.

Erschienen in: Haustech 3-2020