Gebäudesysteme

Thomas Bischofberger

Thomas Bischofberger, Geschäftsführer Bührler + Scherler AG. (Foto: Nicole Wagner)

Interview: Thomas Bischofberger, Bührler + Scherler AG

Vernetzte Gebäudetechnik

Selbstabdunkelndes Glas, automatisiertes Raumklima, smarte Arbeitsplätze. Das Gebäude denkt mit. So auch der neue Innovations-Campus Cubic in Uzwil. Der ideale Ort, um mit Thomas Bischofberger, Geschäftsführer der Bühler + Scherler AG, über die Gebäudeautomation der Zukunft zu reden.

Herr Bischofberger, wir führen das Interview im Innovations-Campus Cubic der Bühler Group in Uzwil. Sie sind einerseits Nutzer und gleichzeitig haben Sie die Gebäudeautomation geplant und realisiert. Erzählen Sie uns doch, wie es zu diesem Auftrag kam?

Die Bühler Group hat sich mit dem Gebäude einen Traum realisiert. Der Cubic wird so etwas wie der Schmelztiegel sein, wo unterschiedliche Ansprechgruppen zueinander finden. Man muss sich das im Alltag wie eine italienische Piazza vorstellen, wo sich Mitarbeitende, Kunden, Forscher, Start-ups und Partner treffen, um die Zukunft zu gestalten. Mit dieser Idee im Kopf suchte die Bühler Group nach Partnern, die den Geist der Innovation mit­tragen. Das gab den Ausschlag, dass wir den Auftrag erhalten haben. Da wir lang­jähriger Partner und Mitglied der Bühler- Gruppe sind, wussten die Verantwortlichen bei der Bühler Group, wie wir als Ingenieurbüro ticken.

Im Cubic treffen Hightech-Labore auf industrielle Werkbank. Welche Anforderungen stellte der Bauherr an Sie als Planer der Gebäudeautomation?

Das Anforderungsprofil war in einem ­umfangreichen Dokument sehr genau beschrieben. Dies bildete unsere Arbeitsgrundlage. Wir gingen dann auf die Suche nach integralen und durchgängigen ­Systemen. Es ging dabei um Komponenten und Teilsysteme der Gebäudeautomation, damit das Gebäude nach den Wünschen des Bauherrn betrieben werden kann.

Die Gebäudeautomation steuert Heizung, Klima, Lüftung, Beleuchtung und Beschattung. Diese fünf Bereiche stehen in der Regel im Fokus. Welche Ebene ist denn beim Cubic neu dazu gekommen?

Wir haben die Gebäudeautomation in die Cloud gebracht. Diese völlig neue Ebene der web- und cloudbasierten Steuerung ermöglicht es, das Gebäude stets im Auge zu behalten. Im Gegensatz zu einem klassischen Leitsystem setzt ein solches Managementsystem eine ganz neue Denkweise voraus. Nun reden nicht nur Gebäude­techniker miteinander, sondern in diesem Projekt hatten wir es plötzlich mit IT-­Spezialisten zu tun, die eine völlig andere Sprache hatten.

Welche?

Die Sprache sah so aus, dass wir einerseits mit dem Heizungstechniker diskutieren mussten, wie die Ventile anzusteuern sind, und zwei Stunden später sprachen wir mit dem IT-Spezialisten, der über die Auswirkungen dieser Ventile für seinen Use Case oder über IT-Security und viele andere Themen nachdachte. Der Ansatz, dass die Daten der Gebäudeautomation über die Cloud für viele weitere Nutzer zur Ver­fügung gestellt werden, war neu für uns.

Haben Sie das neue cloudbasierte ­Managementsystem selbst erarbeitet?

Das neue System haben wir in enger Partnerschaft mit Microsoft erarbeitet. Für uns war die Zusammenarbeit ein grosser Glücksfall. Sie gaben dem Projekt den nötigen Drive. Heute ist im Cubic ein web- und cloudbasiertes Managementsystem im Einsatz, über das nicht nur die klassischen Gewerke wie die Heizung oder Lüftung gesteuert werden. Das Gebäudeautomationssystem sammelt über intelligente und hoch integrierte Sensoren verschiedenste Daten und stellt diese anderen Applikationen zur Verfügung. Zudem sind sämtliche Anlagen wie beispielsweise die Zutrittskontrolle, das Kassenzahlungssystem oder Belegung- und Reservierungssysteme mit dem Leitsystem vernetzt. Dank dieser Partnerschaft haben wir als Unternehmen eine neue Flughöhe erreicht. Am Anfang sind wir von einem Standardprojekt ausgegangen, das mit wenigen neuen Features ergänzt werden musste. Doch dann kam im Verlaufe des Projekts Microsoft ins Spiel, und das veränderte die Dynamik komplett.

Sie sprechen die Digitalisierung an: mobile Applikationen, Sensoren, ­Reservationssysteme, Cloud, Daten – kurz: Das Gebäude ist vernetzt. Sehr hohe Anforderungen an die Gebäudeauto­mation?

Genau. Das ist auch der neue Ansatz, dass die Daten, die auf einem nicht web-und cloudbasierten System ohnehin gesammelt werden, nun neu auch ausgewertet und in den Dienst einer effizienten Nutzung und Bewirtschaftung des Gebäudes gestellt werden. Alle Ereignisse werden protokolliert, die wichtigsten Informationen aufbereitet und es stehen auch Filter zur Verfügung, bei dem Messwerte, Sollwerte oder Parameter, je nach Bedarf, analysiert und abgefragt werden können. Alle relevanten Daten sind mit ein paar Klicks auf einen Blick ersichtlich. Das erlaubt es sowohl Nutzern und Betreibern, das Gebäude optimal zu nutzen.

Erste Erfahrungen mit der Datenaus­wertung?

Mit der Auswertung und Visualisierung zählen wir ebenfalls auf die Unterstützung von diversen Dienstleistern. Mit Mapiq beispielsweise steht uns ein Belegungs- und Reservationssystem zur Verfügung, über das die Nutzer ihren Arbeitsplatz frei wählen können. In der Visualisierung zeigt das System nicht nur an, welche Arbeitsplätze oder Sitzungszimmer frei sind, sondern vernetzt und verarbeitet über Sensoren auch Informationen, die Auskunft über den momentanen Lärmpegel in dem Teil des Gebäudes angeben, wo sich der gewählte Arbeitsplatz befindet. So kann der Nutzer den Ort des Arbeitsplatzes auswählen, der ihm am besten zusagt.

Das Gebäude denkt also mit. Jederzeit stehen unterschiedliche Informationen zur Verfügung?

Genau. Wir können Geräusche detektieren, den Wert von CO₂ ermitteln, die Helligkeit steuern, die Temperatur messen und über Infrarot die ungefähre Anzahl Personen angeben, die sich in einem bestimmten Teil des Cubic befinden. All dies ist mit den neuen Sensoren möglich.

Was kann das Gebäude noch alles?

Das installierte Gebäudeautomations­system steuert und regelt die im Gebäude installierten Systeme. So ist beispielsweise ein thermoaktives Bauteilsystem (Tabs) eingebaut. Tabs ist eine energieeffiziente  Systemlösung für das Beheizen und Kühlen von Gebäuden. Dieses sorgt ganzjährig für viel Behaglichkeit in den Räumen, weil der Energieaustausch meist über den Boden und der Decke erfolgt. Dabei wird die Gebäudemasse als Energiespeicher und Strahlungsfläche genutzt. Bei einem Betonkern redet man von einer Verzögerung von 24 Stunden. Aus diesem Grunde werden beim Ermitteln der optimalen Vorlauf­temperaturen durch das Gebäudeauto­mationssystem auch Wetterprognosen in den Regelkreis integriert. Im Cubic wurde für das Tabs eine spezielle Dachkonstruktion entwickelt, die auch den Schallschutz bereits integriert hat. Diese Dachkonstruktion wurde von der Hochschule Luzern berechnet und in Zusammenarbeit mit den Architekten und anderen involvierten Planungsbüros getestet.

Zu welchem Schluss sind Sie gekommen?

Man hat festgestellt, dass mit der gewählten Konstruktionsweise eine Verzögerung von nur sieben Stunden erreicht wird. Ohne Datenbasis in der Cloud wäre eine solche Materialauswertung nicht möglich ge­wesen.

Ist die Steigerung der Energieeffizienz als weiterer Vorteil einer cloudbasierten Steuerung?

Mit Sicherheit. Das Gebäude denkt nicht nur in der Belegung der Räume mit, sondern auch in der Optimierung der Energie­ressourcen. In Zukunft lässt sich mithilfe der Wetterprognosen das Raumklima vorausschauend einstellen, und nicht erst, wenn die Luftqualität in den Räumen schlecht ist. Hier zeigt sich der Vorteil eines solch integralen Systems.

Was sind die grössten Vorteile von ­smarten Lösungen in einem Gebäude?

Der Betreiber ist mit einer smarten Gebäudelösung unglaublich schnell handlungsfähig. Das System überlässt auch dem Nutzer viel Freiheit, wie er sich in einem Gebäude bewegen will. Letztlich helfen smarte Lösungen ein Verständnis auf­zubauen, wo und wie sich der Einsatz von Ressourcen optimieren lassen. Zum ­Beispiel in der Reinigung des Gebäudes. Wenn ich weiss, wo sich während eines Tages die meisten Menschen aufgehalten haben, oder wenn Sitzungszimmer gar nicht benutzt wurden, so kann ich die Reinigungsequipe zielgerichtet einsetzen – nicht wie früher, wo flächen­deckend das ganze Gebäude gereinigt wurde. ­Zudem ist es so, dass die in der Cloud gespeicherten Daten bei Bedarf vielen weiteren Bereichen zur Verfügung gestellt werden und so die bereits für die Gebäudeautomation vorhandenen Daten für viele andere Zwecke verwendet werden können.

Was hat das bei Bühler + Scherler intern ausgelöst? Wie gross waren die Umstellungen?

Das sind zentrale Fragen, die wir uns im Vorfeld des Auftrags stellten. Wer hat die Fähigkeiten und das Know-how, ein solches Projekt zu stemmen? Wer hat noch freie Ressourcen? Zumal der Terminplan auch in diesem Projekt sehr eng war. Das Volumen und die Umstände zwangen uns, schnell zu handeln und schnell nach einer Lösung zu suchen. 2017 sind die Bagger aufgefahren, Ende Mai 2019 stand das Gebäude, wobei die ersten Nutzer schon im März 2019, einen Monat vor Fertigstellung, eingezogen waren. Wir atmeten laufend Zukunftsluft ein. Die Baubranche steckt mitten in der Digitalisierung, und mit diesem Projekt haben wir unser digitales Know-how aufbauen und erweitern können. Aus der Distanz betrachtet war das sicherlich eine der grössten Herausforderungen für unser KMU. Nur dank des Projektteams, das von Roman Gmeiner geleitet wurde und bei dem zu Spitzenzeiten über zehn Personen ge­arbeitet haben, konnte dieses hervorragend umgesetzt werden. Es zeigt sich einmal mehr, wie wichtig ein gut funktionierendes Team ist, damit ein Projekt in dieser Grösse gemeistert werden kann. Der Mensch ist auch bei solchen digitalen Projekten der wesentliche Erfolgsfaktor.

Wie kanalisieren Sie nun das digitale Know-how?

Wir beschäftigen uns stark mit Themen wie Internet of Things oder der webbasierten Cloudtechnologie. Intern ist eine Person für die digitale Entwicklung verantwortlich und zuständig. Diese Person nimmt die Informationen auf, lässt sie zusammenfliessen und gibt das Know-how weiter. Als KMU mit rund 70 Mitarbeitenden haben wir natürlich nicht den gleichen Set-up wie die Bühler Group mit weltweit 14 000 Mitarbeitenden. Hier im Cubic beispielsweise sitzen viele Softwareentwickler, und jeder arbeitet jeweils an seinem Spezialgebiet. Viel Schlagkraft, die auch wir nutzen ­können und müssen. Deshalb ist es für uns wichtig, künftig vermehrt auf Partnerschaften zu setzen. Wir können nicht alles selber stemmen. Der Cubic ist das beste Beispiel, wie Ideen in gemeinsamer Arbeit entstehen und umgesetzt werden können.

Seit Ende Mai 2019 wird im Campus der Bühler Group geforscht, wie künftige Generationen ernährt und deren Mobilität gesichert werden kann. Wie eingangs erwähnt, ist Bühler + Scherler auch ­Nutzer des Cubic. Wie schätzen Sie die bisherigen Erfahrungen ein?

Als rundum positiv. Wir nutzen das Gebäude als Veranstalter einerseits. Wir haben das letztjährige St. Galler Fachforum zum ­Thema Digitales Bauen hier im Campus durchgeführt. Ungefähr 150 Personen haben am Event teilgenommen, und die Rückmeldungen bestätigten unseren Eindruck. Der Wow-Effekt war gross.
Zudem meisterte die Gebäudetechnik diese Belastungsprobe bravourös, denn parallel lief der Alltag mit den Food Maker Space, Labs, Cafeteria, Filmstudio, Arbeits- und Co-Working-Arbeitsplätzen normal weiter.

Und sie schätzen den Cubic andererseits auch als Arbeitsplatz?

Auch hier bekomme ich unglaublich viele positive Feedbacks. Unsere Mitarbeitenden schätzen die Atmosphäre im Cubic, schätzen die Art und Weise, wie der Austausch mit anderen Personen, mit den Start-ups und den Studenten stattfindet. Ein Thema ist der Geräuschpegel, doch durch die smarte Gebäudeautomation können sich Mitarbeitende ein ruhiges Plätzchen suchen.

Sind Sie als Nutzer zufrieden mit dem Gebäudeautomationsplaner?

Wir sind selbstverständlich zufrieden und sehr stolz auf unsere Arbeiten. Als Nutzer merken wir, wo es noch Schwachstellen oder Verbesserungspotenzial gibt. Das erlaubt uns, Themen aufzunehmen, zu kanalisieren und auch die Erkenntnisse in künftige Projekte einfliessen zu lassen. So bleiben wir nicht stehen, entwickeln uns als Unternehmen weiter. Im Cubic will man bewusst eine Brücke zwischen Menschen, Technologie und Innovation schaffen. Wir profitieren davon.