Im Vorfeld zur Erarbeitung der Richtlinie zeigten die vielen Gespräche bezüglich der Legionellen-Problematik, dass die korrekte Warmwassertemperatur beim Austritt des Warmwasserspeichers allein kein Garant ist für eine bedenkenlose Trinkwasserhygiene. Eine Vielzahl von Legionellen-Probenahmen zeigen, dass Legionellen-Höchstwertüberschreitungen nicht nur in PWH-Verteilsystemen (potable water hot=Warmwasser), sondern auch in PWC-Verteilsystemen (potable water cold=Kaltwasser) zu finden sind. In der Richtlinie W3/E3 werden deshalb auch Massnahmen beschrieben, damit in PWC-Installationen die Temperatur nicht über 25 °C ansteigt.
Wissenschaftliche Grundlagen für thermische Schachttrennung
Die in der W3/E3 beschriebene thermische Schachttrennung basiert auf einer mehrjährigen in Deutschland durchgeführten und im 2018 publizierten Studie, an der fünf wissenschaftliche Partner aus vier Forschungsinstituten beteiligt waren. Die Studie hatte zum Ziel, die Mindest-Warmwassertemperaturen auszuloten, mit denen die gesetzlichen Höchstwerte an Legionella spp. eingehalten werden können. Dafür wurden umfangreiche Feld- wie auch Laborversuche durchgeführt. Im Rahmen eines Laborversuchs wurde auch untersucht, wie in einem Installationsschacht sowohl ohne wie auch mit thermischer Schachttrennung die Temperatur von der PWH-Installation sich auf die Temperatur in der PWC-Installation auswirkt. Selbst bei vollständiger regelkonformer Dämmung aller Leitungen und einer thermischen Schachttrennung konnte an sommerlichen Tagen aufgrund der erhöhten Umgebungstemperatur und dem von der PWH- und PWH-C-Installation (potable water hot circulation=Warmwasserzirkulation) ausgehenden Temperatureintrag während der Stagnationsphase in der Nacht die Kaltwassertemperatur auf zwischen 25 °C und 30 °C ansteigen.
Weitere Untersuchungen bezüglich alternativer Lösungen für die Einhaltung der maximalen Kaltwassertemperatur, waren zum Zeitpunkt der Erarbeitung der Richtlinie W3/E3 nicht verfügbar.
Aufwendige thermische Schachttrennung
Die neue Anforderung, Installationsschächte thermisch zu trennen, ist sowohl für den Planer wie auch für den Installateur ungewohnt. Zudem ist eine lückenlose Ausführung aufgrund der Einbauelemente und den horizontal verlaufenden Verteil- und Ausstossleitungen sehr anspruchsvoll. Eine der meistgestellten Fragen nach Erscheinen der Richtlinie W3/E3 war deshalb, ob anstelle der thermischen Schachttrennung auch mit anderen Massnahmen wie das Ausflocken des Installationsschachts oder das stärkere Dämmen der PWC-Steigleitung ein gleichwertiges Resultat erzielt werden könne.
Untersuchungen durch Geberit und Nussbaum
In unabhängigen Untersuchungen haben sich die beiden Systemanbieter Geberit Vertriebs AG und R. Nussbaum AG mit der Problematik befasst und umfangreiche Labormessungen und Simulationsberechnungen durchgeführt. Es wurden verschiedene Installationsvarianten und Untervarianten davon untersucht wie:
- Thermische Schachttrennung: mit/ohne Schachttrennung
- Ausflockung: mit/ohne Ausflockung
- Dämmungsmaterial: PIR/Zellkautschuk
- Dämmstärke PWC: 30 mm/50 mm
- Position Steigleitungen: nebeneinander/entfernt
Bei den verschiedenen Versuchsreihen wurden die PWH- und PWH-C-Steigleitungen sowohl als Rohr-an-Rohr-System (RAR) als auch konventionell nebeneinander verlegt.
Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Bei Installationsschächten mit raumhoher Vorwand auf der gesamten Raumbreite wird die Luft-Temperatur im Schacht massgeblich von der Badezimmer-Raumtemperatur beeinflusst.
- Je stärker die Dämmung der PWH-Steigleitung, desto tiefer ist die Schacht- bzw. Kaltwasser-Stagnationstemperatur.
- Je stärker die Dämmung der PWC-Steigleitung, desto langsamer wird die Kaltwasser-Stagnationstemperatur erreicht.
- Mit einem thermisch getrennten Schacht, können tiefe Kaltwassertemperaturen erzielt werden. Jedoch nur dann, wenn die Schachttrennung einwandfrei und lückenlos ausgeführt wird.
- Mit stärkerer Dämmung der PWC-Steigleitung (PIR 50 mm anstatt PIR 30 mm) können die gleichen oder sogar geringfügig besseren Kaltwassertemperaturen erzielt werden als mit einem thermisch getrennten Installationsschacht (vgl. Bild 3).
- Mit PWC-Steigleitung PIR 30 mm und PWH-Steigleitung PIR 50 mm können tiefere Kaltwassertemperaturen erzielt werden als mit PWC- und PWH-Steigleitung Zellkautschuk 19 mm.
Auswirkungen der Schachtausflockung
Die seit Jahren angewendete Schachtausflockung dient dazu, die Schallschutz- und/oder Brandschutzanforderungen einzuhalten. Sie war und ist aber nicht als Ersatz der Installationsdämmung gedacht.
Die Schachtausflockung ist aus verschiedenen Gründen eher kontraproduktiv. Sie führt bei nahe installierten PWC- und PWH-Steigleitungen aufgrund der Massen-Wärmeübertragung zur grössten Erwärmung des Kaltwassers (vgl. Bild 1 und Bild 2). Die Schachtausflockung erwärmt zudem das Kaltwasser in den Ausstossleitungen, respektive verzögert in den Ausstossleitungen das Abkühlen des Warmwassers auf Umgebungstemperatur.
Weitere Nachteile
Ausgeflockte Schächte können weitere Nachteile haben. Wegen der Schacht-Einbauelemente verteilt sich das Flockungsmaterial nicht regelmässig im Schacht und verdichtet sich mit der Zeit im unteren Schachtbereich, was im oberen Schachtbereich zu Lufträumen führt.
Entsprechend dem verwendeten Flockungsmaterial kann dieses mit chemischen Mitteln imprägniert sein. Diese chemischen Mittel können bei Feuchtigkeit im Schacht und unvollständiger Dämmung der PWC-, PWH- und PWH-C-Steigleitungen diese von aussen korrodieren.
Für das Einhalten der Schallschutz- und/oder Brandschutzanforderungen können anstelle der Ausflockung auch andere bauliche Massnahmen geeignet sein.
Ausgeflockte Schächte erzielen nur bei weit auseinanderliegenden PWC-Steigleitungen PIR 30 mm und PWH-Steigleitungen PIR 50 mm tiefere Kaltwassertemperaturen (vgl. Bild 4).
Fazit:
- Die PWC- und PWH-Steigleitungen sind immer und in jedem Fall regelkonform und lückenlos zu dämmen.
- Im Wohnungsneubau sind PWC-Steigleitungen mit einer Dämmstärke min. PIR 50 mm eine gleichwertige Alternative zu thermisch getrennten Schächten.
- Bei mehreren Medientemperaturen > 40 °C sind thermisch getrennte Installationsschächte vorzuziehen.
- Bei der Dämmung von PWC- und PWH-Steigleitungen ist auf eine geringe Wärmeleitfähigkeit zu achten - PIR vor Zellkautschuk (vgl. Bild 1 und Bild 2).
- Das Ausflocken von Schächten ist aus den vorerwähnten Gründen kontraproduktiv.
* Datengrundlage und Unterstützung: Rolf Weiss, Adrian Lüthi (Geberit Vertriebs AG), Patrik Zeiter, Florian Müller (R. Nussbaum AG), Markus Rasper (Suissetec), Reto von Euw (HSLU)