Elektrotechnik

Einwohnerkonzentration in der Schweiz: Anfang 2020 hatte die Schweiz exakt 8 603 899 Einwohner, die zu etwa 30 % in Städten ab 100000 Einwohnern wohnten (orange). Auf solche Gebiete hat sich der Bau von FTTH bisher konzentriert. (Grafik: R.Sellin)

Fakten zu FTTH

Zur Stärkung der Schweizer Wirtschaftskraft sind gut ausgebaute Mobilfunk- und Festnetz-Infrastrukturen ebenso notwendig wie leistungsfähige Verkehrsinfrastrukturen. Dabei ist der Wettbewerb auf der oft zitierten «letzten Meile» voll im Gange, wie die Entwicklungen der letzten 12 Monate deutlich zeigen.

Mit dem Technologiemix aus Glasfaser-, Kupfer- und Koaxialkabeln sowie mit 4G/5G wollen die vier Schweizer Telekomanbieter Salt, Sunrise, Swisscom und UPC möglichst alle Gemeinden der Schweiz mit schnellen Breitbandverbindungen versorgen. Bei Swisscom hat man konkrete Ziele im Visier: Bis Ende 2021 sollen alle Schweizer Gemeinden mit Breitbandanschlüssen versorgt sein (Glasfaser und Kupfer). 90 % der Bevölkerung werden dann von Bandbreiten zwischen 80 Mbit/s und 1 Gbit/s profitieren können (Downstream). Und bis Ende 2025 soll die Glasfaserversorgung (Fibre To The Home, FTTH) gegenüber 2019 verdoppelt werden.

Vier-Faser-Modell am Ende?

Leider kommt beim FTTH-Ausbau das Vier-Faser-Modell, um das am runden Tisch des BAKOM bis Ende 2011 zäh gefeilscht wurde, nicht mehr zwingend zum Zuge und wenn, dann unter Kostenbeteiligung des lokalen Ausbaupartners. Für dieses Vorgehen sind einerseits die Mehrkosten des Vier-Faser-Modells in Höhe von ca. 18 % verantwortlich, aber auch die bedenklich tiefe FTTH-Anschlussquote von nur rund 13 % (Stand Ende 2019).

Da man die Hauseigentümer nicht zwingen kann, ihre Liegenschaft und die Wohnungen darin mit dem Glasfasernetz vor der Türe zu verbinden, bleiben viele Fasern ungenutzt. Das hängt einerseits mit dem Unwillen der Hauseigentümer zusammen, die hausinternen Installationen auf FTTH anzupassen bzw. seitens der Mieter, sich an den Mehrkosten zu beteiligen. Andererseits sind die hiesigen Koaxial- und Kupfernetze in der Mehrzahl oft in einem so guten Zustand, dass die erzielbaren Datenübertragungsraten für die meisten Anwendungen heute noch ausreichen. ❭

Verschiedenen Wohngemeinden dauerte der Breitbandausbau in der Vergangenheit zu lange und/oder sie bevorzugen Glasfaser bis ins Haus. Verfügen sie über das entsprechende Budget, investieren sie in eigene FTTH-Netze. Damit besitzen sie über einen zentralen Standortvorteil, sei es zur Ansiedlung von Firmen oder für die Wohnbevölkerung. Das Gefälle zwischen Stadt und Land bzw. zwischen reichen und armen Wohngemeinden verschärft sich dadurch leider weiter.

Rechenspiele der Mitbewerber

Genau das brachte der Swisscom oft harsche Kritik ein, so vom ehemaligen Verband der Schweizer Energieversorger openaxs. Dessen Geschäftstätigkeit wurde Ende 2019 nach über 10 Jahren eingestellt und in Suisse Digital integriert, dem Verband der Schweizer Kabelnetzbetreiber. Trotz löblicher openaxs-Initiativen wie der Swiss Fibre Net AG (SFN AG), an der Kabelnetzbetreiber und Energieversorger beteiligt sind, ist FTTH bis heute keinesfalls in allen Städten und nur an knapp 25 % aller Orte verfügbar (Stand 1.1.2020).

Der ehemalige McKinsey-Manager und Dipl. El.-Ing. Pascal Grieder, seit rund zwei Jahren CEO von Salt, brachte an der letzten openaxs-FTTH-Konferenz in 2019 Luzern als Beispiel für das Stadt-Land-Gefälle. Während das Abonnement für Internet, TV und Telefonie in Kriens Fr. 120.– pro Monat koste und die maximale Internetgeschwindigkeit nur 200 Mbit/s betrage, koste das Abonnement in Luzern monatlich Fr. 39.65 und biete dank FTTH maximal 10 Gbit/s, und das symmetrisch. «In Luzern spielt im Vier-Faser-Modell der freie Wettbewerb, weil nebst Swisscom auch das EWL einen Zugang zum Glasfasernetz bietet. Als Provider kann Salt mit beiden Baukooperationspartnern verhandeln», so Grieder.

Schliesslich könnte ein Solidaritätsmodell wie im Oberwallis Vorbild werden, wo dicht besiedelte weniger dicht besiedelte Gemeinden beim FTTH-Ausbau unterstützen, sagte Grieder. Warum Salt ähnlich wie Sunrise aber nicht selbst Glasfasernetze baut, sondern nur von bereits gebauten Infrastrukturen (SFN AG oder Swisscom) zur pauschalen Nutzung zum Fixpreis profitieren möchte, erklärte er an der Konferenz ebenso wenig wie die Frage, worin der Investitionsanreiz für vier Fasern bestehen soll, wenn sie doch meistens ungenutzt in den Kanälen liegen.

Missglückte Fusionen …

So oder so, es ist viel Bewegung sowohl unter den vier Schweizer Mitbewerbern als auch auf dem hiesigen Anschlussnetz. Wie Salt besitzt aber auch die Firma Sunrise von einzelnen Ausnahmen abgesehen keine eigenen Anschlussleitungen. Sie muss entweder bestehende Leitungen mieten (Swisscom oder SFN AG) oder die Haushalte via 5G anbinden, was zur Erstanbindung von Grosskunden und der massenhaften Erschliessung grosser Wohnquartiere jedoch kaum taugt. Zudem werden neue 5G-Anlagen allerorten scharf bekämpft und der Ausbau stockt auch hier.

Einen weiteren Dämpfer erfuhr die unter ex-CEO Olaf Swantee aufstrebende Firma im Oktober 2019 bei der geplatzten Übernahme des Mitbewerbers UPC (Schweiz). Sunrise hätte damit ein eigenes Anschlussnetz erhalten, im Gegenzug aber auch einen sehr hohen Preis für UPC zahlen müssen. Etwas eigenwillig mutet vor diesem Hintergrund an, dass UPC ihre Mobilfunkkunden erst Anfang 2019 von Sunrise auf das Swisscom-Mobilfunknetz mutiert hatte. Auch die Mobile Abos von Coop- und Migros Mobile laufen auf diesem Netz.

Gleich zu Beginn des Jahres 2020 ging es dann Schlag auf Schlag. Trotz guten Leistungsausweises verliess Swantee das Unternehmen nach vier Jahren. Auch der bereits bei der UBS glücklose VR-Präsident Peter Kurer und sein Stellvertreter Peter Schöpfer, welche 2016 den Börsengang von Sunrise zwecks Mittelbeschaffung lanciert hatten, traten nach der Generalversammlung am 8. 4. 2020 nicht mehr zur Wiederwahl an. Dies ist die zweite gescheiterte Fusion zweier Schweizer Mitbewerber, beide Male unter Beteiligung von Sunrise.

… und immer neue Initiativen

Nachdem die Fusion von Orange (heute Salt) und Sunrise im April 2010 von der Wettbewerbskommission (WEKO) untersagt wurde, nehmen die beiden Marktplayer nochmals einen Anlauf. Diesmal geht es aber nicht um die Zusammenlegung zweier Mobilfunknetze, sondern um das Thema FTTH. Unter dem Titel «Swiss Open Fiber» planen beide Firmen im Rahmen eines Joint Ventures über die nächsten 5 bis 7 Jahre, 1,5 Mio. FTTH-Anschlüsse zu installieren. Die geplanten Investitionsausgaben von bis zu Fr. 3 Mia. will man in erster Linie mit Fremdkapital und Mieteinnahmen für die Plattform sowie durch Eigenkapital der Finanzpartner finanzieren. Angeblich bestehen «fortgeschrittene Gespräche mit erfahrenen Bauunternehmen».

Chairman von «Swiss Open Fiber» ist Marc Furrer, erster BAKOM-Direktor (bis 2005), anschliessend ComCom-Präsident sowie daneben bis zum unfreiwilligen Abgang im Juni 2017 Präsident von Swiss Eishockey. In seiner ersten Funktion hatte er die Entbündelung der Kupfer-Anschlussleitungen mit Hochdruck vorangetrieben und auch in seiner zweiten Funktion der Swisscom immer wieder Druck aufgesetzt. Unter seiner Führung sollen gemäss einer Meldung vom Mai 2020 je 30–35 % der geplanten Investitionen in ländliche Gebiete (5G), suburbane Regionen «mit Fokus auf unterversorgte Regionen» (FTTH, neu zu erstellen) sowie in urbane Gebiete (FTTH-Netze der SFN AG) fliessen.

Dass die SFN AG für Sunrise und Salt weiterhin Netzleistungen im Bereich FTTH erbringen darf, ist logisch und folgerichtig. Etwas kompliziert könnte es in der Praxis aber durch den Umstand werden, dass nicht wenige Mitgliedsfirmen der SFN AG gemeinsam mit Swisscom FTTH/FTTx bauen. Insider zweifeln zudem an den Führungsqualitäten des gewählten Chairmans, der bisher eher mit seinem Beziehungsnetz in Behörden und Verbänden aufgefallen ist. Andererseits scheint bei Swiss Open Fibre der Verband Suisse Digital nicht involviert zu sein. Dies wäre eine Bündelung der Swisscom-Mitbewerber, wie es sie bisher nicht gab.