Elektrotechnik

Hans Schamaun sammelte das «ET Elektrotechnik», vormals «Der Elektromonteur», von der Berufslehre bis heute. (Bild: Bettina Kunzer)

Hans Schamaun in seiner Werkstatt. (Bild: zVg)

«Ich würde diesen Beruf heute wieder wählen»

Knapp 50 Jahre lang führte Hans Schamaun in Davos Elektroinstallationen aus. Während dieser Zeit war das «ET Elektrotechnik» sein ständiger Begleiter. Wir blicken mit ihm zurück auf sein bewegtes Berufsleben und die Geschichte des traditionsreichen Fachmagazins für die Schweizer Elektrobranche.

Herr Schamaun, Sie haben uns kürzlich mehr als 600 Ausgaben von «ET Elektrotechnik» (ET) überlassen, die Sie während mehr als 50 Jahren sorgfältig archiviert haben. Was hat Sie dazu bewogen, ein solch umfangreiches Sammelwerk anzulegen?

Als ich 1964 meine Lehre als Elektromonteur, wie die Berufsbezeichnung damals lautete, antrat, begann ich auch mit meiner ET-Sammlung. Die früheren Ausgaben, die bis 1976 unter dem Titel « Der Elektromonteur» erschienen, waren bereits so perforiert, dass die 20 Themenbereiche einzeln abgelegt werden konnten. Über die Jahre ist ein umfassendes Nachschlagewerk entstanden, das vom Thema Beleuchtung über die Materialkunde bis zu den Werkstattkniffen alles bietet, was Elektroinstallateure wissen müssen. Ich habe es in meinem Berufsalltag so manches Mal hervorgeholt, um mich über neue Produkte und Lösungen zu informieren oder mein Fachwissen aufzufrischen. Leider eignet sich die heutige Ausgabe von «ET Elektrotechnik» nicht mehr zur Ablage, aber ich habe trotzdem alle Magazine aufbewahrt und abonniere es auch jetzt nach meiner Pensionierung weiterhin. Es hilft mir auch in dieser Form, immer auf dem neusten Stand zu bleiben. Und das ist wichtig, weil ich heute noch sporadisch Elek­tro-Aufträge ausführe und deshalb mit den anderen Installateuren auf Augenhöhe reden möchte.

Davos war zeit Ihres Lebens Heimat und Wirkungsfeld. Was waren Ihre Tätigkeiten?

Von 1964 bis 1968 war ich bei Elektro Christoffel in der Lehre und habe mich anschliessend dort bis zum Chefmonteur hochgearbeitet. Das Kerngeschäft dieses Unternehmens sind Neu- und Umbauten. Es wurden Stark- und Schwachstrominstallationen geplant und realisiert, aber auch ICT-Projekte, Gebäudeautomationen und Solaranlagen. Und natürlich gab es auch viel Service-Arbeiten zu erledigen. Ich war zuständig für die gesamte Auftrags­abwicklung, Baustellenüberwachung, Abrechnung und Nachbetreuung sowie die Lehrlingsbetreuung.

In den 1960er- und 70er-Jahren wurden in den Alpen die Skigebiete mit neuen Bahn- und Liftanlagen erschlossen. Das bedeutete auch für Davos einen Boom an Ferienwohnungen und damit ein grosses Auftragsvolumen für die Elektrobranche.

Das ist richtig. Ein Grossteil aller Davoser Ferienwohnungen wurde in den 70ern gebaut. Für uns war das damals ein sehr lukratives Geschäft, weil es fast ausschliesslich Eigentumswohnungen mit einem entsprechenden Ausbaustandard waren. Auch heute dürften diese Wohnungen wieder für ein grosses Auftrags-volumen sorgen ‒ sie sind in die Jahre gekommen und vielfach energetisch sanierungsbedürftig. Man müsste vielerorts die Haustechnik, Fassadenisolation und Leitungen erneuern. Einige sind sogar noch asbesthaltig. Die Eigentümergemeinschaften sind aber oft ein Hindernis. Bis dort Sanierungsmassnahmen einstimmig angenommen werden, vergeht oft viel Zeit, oder man einigt sich gar nicht. Die Energieeffizienz bleibt dadurch leider auf der Strecke.

Der Tourismus verschaffte Ihnen aber nicht nur mit den Ferienwohnungen Arbeit.

Das stimmt. Als ich etwas über 50 war, wechselte ich als Technischer Leiter in das 4-Sterne-Hotel Europe, wo ich noch 13 abwechslungsreiche und kurzweilige Jahre erlebte. Hier war ich für den Unterhalt, den Betrieb und die Kontrolle der Haustechnik zuständig. Und wenn ein Gast vom Bahnhof angeholt werden musste, habe ich das auch gern übernommen.

Welche Inhalte aus dem «ET Elektrotechnik» konnten Sie in den knapp 50 Jahren Ihrer beruflichen Tätigkeit gut anwenden?

Das «NIN-Know-how» ist bestimmt für alle Berufsleute in der Praxis sehr hilfreich. Man erfährt, welche Vorschriften zu welchem Vorgehen verpflichten, aber auch wann man Spielraum hat und etwas anders machen darf. Ich war zudem immer froh, über die neuesten Entwicklungen Bescheid zu wissen. Als zum Beispiel der FI/LS-Schalter, die Kombination aus Fehlerstromschutz- und Leitungsschutzschalter, auf den Markt kam und ich mich im ET über die Vorteile informiert hatte, konnte ich den ein oder anderen Kunden schnell überzeugen. Viele Fachbeiträge habe ich auch in derLehrlingsausbildung verwendet. Besonders wenn man Darstellungen des Innenlebens von Apparaten und Installationen zeigen konnte. Damals gab es ja noch keine digitalen Animationen oder Ähnliches. Diese Zeichnungen konnten gut veranschaulichen, wie die Geräte, zum Beispiel ein Boiler oder Kühlschrank, technisch funktionieren.

Sind Ihnen bestimmte Artikel in besonderer Erinnerung geblieben?

Ich mochte die Artikelreihen über Persönlichkeiten, welche die Entwicklung der Elektrotechnik entscheidend geprägt haben, sehr gern. Zum Beispiel die kleine Serie über Thomas Alva Edison. Seine Erfindungen und Entwicklungen in den Bereichen elektrisches Licht und Telekommunikation hatten einen grossen Einfluss auf die technische Entwicklung, aber auch auf die kulturelle im Allgemeinen. Auch das Leben und Schaffen von Alexander Graham Bell, dem Erfinder des Telefons, fand ich sehr spannend. Die Verdienste der grossen Erfinder und Ingenieure haben die Elektrotechnik epochal vorangebracht und sind bis heute die Grundlage für unsere Arbeit.

Gibt es Erlebnisse im Berufsalltag, an die Sie oft zurückdenken?

Da war dieses Ferienapartmenthaus an steiler Hanglage mit einer wunderbaren Aussicht. Als es gebaut wurde, hat man in der Parkgarage die Rohre für die elektrischen Leitungen der Lüftungen so klein dimensioniert, dass es uns unmöglich war, sie auf normalem Weg einzuziehen. Ich habe mich dann entschieden, mein Auto zur Hilfe zu nehmen. Mit den Pferdestärken meines VW konnten wir die Leitungen natürlich pro­blemlos einziehen.

Und wenn wir gerade bei den Autos sind: Ich erhielt einmal den Auftrag, je ein Natel-B-Gerät in zwei Fahrzeuge einzubauen. Die Autoscheiben haben die Funksignale aber zu sehr gedämpft, sodass ich kurzerhand die Autodächer aufgebohrt und darauf die Antenne montiert habe. Zuge­geben, ich habe danach schon etwas schlechter geschlafen, weil ich es mit meinem Pragmatismus etwas übertrieben hatte. Aber es hat funktioniert, jedenfalls habe ich nichts Gegenteiliges gehört.

Das Natel B kam 1985 auf den Markt, und bis zur Einführung des ersten iPhones vergingen nur 22 Jahre. Sie haben eine Zeit des rasanten Wandels miterlebt. Welches waren die grössten elektrotechnischen Errungenschaften während Ihrerberuflichen Tätigkeit?

Es gab sehr viele neue Entwicklungen, und ich kann hier nur ein paar Meilensteine herauspicken: Das Arbeitsmaterial wurde immer montagefreundlicher konstruiert. Ausserdem wurden die sicherheitstechnischen Geräte weiterentwickelt, zum Beispiel der Berührungsschutz bei den Klemmen und in den Verteilungen, der Fehlerstromschutz und die Notstrom-anlagen. Zudem wurde in diesen Jahren mit den Bussystemen und der Netzkommunikation die Intelligenz im Gebäude aufgebaut. Und nicht zuletzt kam mit der nachhaltigen Energieversorgung ein praktisch unerschöpflicher Markt ins Rollen. Ich hatte meinem Berufsleben so manche bemerkenswerte und aufregende Zeit!

Welche Tätigkeitsbereiche haben sich während dieser Zeit am meisten verändert?

Durch die Digitalisierung hat sich die Telekommunikation praktisch neu erschaffen. Früher lernten wir in der Ausbildung, wo bei einem Wählscheibentelefon der Rufstrom, Wählstrom etc. fliessen. Bei den heutigen Geräten kann ja nicht einmal mehr die Spannung messen. Da muss immer grad der IT-Service ran. Die Digitalisierung bietet natürlich viele Chancen, aber meiner Meinung nach auch Schwierigkeiten. Die Elek­tronik funktioniert meistens systemabhängig, und viele Endgeräte kommunizieren nur miteinander, wenn sie vom gleichen Hersteller sind. Das macht die Wartung dieser Systeme komplizierter und auch teurer.

Würden Sie Ihren Enkelkindern heute empfehlen, Elektroinstallateur/-in zu werden?

Ich habe sechs Enkelkinder, die allerdings andere Zukunftspläne haben. Aber ich würde diesen Beruf heute wieder wählen. Elektroinstallateure waren früher sehr gefragte Fachleute und sind es heute noch. Das Tätigkeitsgebiet ist breit gefächert, sodass der Berufsalltag abwechslungsreich ist. Der Beruf entwickelt sich immer weiter und bietet auch die Möglichkeit, in anderen techniknahen Berufsfeldern Fuss zu fassen. Aber man muss stets investieren und sich weiterbilden. Ich habe Kurse in den verschiedensten Bereichen besucht – von der Telefonie über Motoren bis zur Baustellenorganisation. Wer sich nicht ständig auf den neusten Stand der Technik bringt, gehört in dieser schnelllebigen Zeit, ehe er sich versieht, zum alten Eisen.