Herr Karner, was geht Ihnen derzeit beim medialen «Corona-Wahn» und den damit verbundenen Unsicherheiten durch den Kopf?
Roger Karner: In der Corona-Zeit geht es in erster Linie um Gesundheit – und zwar die Gesundheit unserer Mitarbeiter, Partner und Kunden. Wir haben jedoch nicht nur unsere Büros, Produktionsstätten und Lagerhäuser offenhalten können, wir haben auch ein gutes Sicherheitskonzept für unsere Mitarbeitenden entwickelt. Ausserdem haben wir dank der Digitalisierung mit vielen Kunden virtuelle Termine machen können. Dennoch hoffe ich, dass der persönliche Kontakt bald wieder im Vordergrund stehen wird. Auch die Gesundheit unseres Unternehmens ist uns wichtig, denn wir wollen Arbeitsplätze erhalten und wirtschaftlichen Erfolg sicherstellen trotz einer Pandemie.
Wie ist Signify Europe für den Schweizer Markt in dieser herausfordernden und aktuell wieder messelosen Zeit gerüstet?
Durch das Homeoffice haben viele unserer Endkunden vermehrt in ihr Zuhause investiert, wie beispielsweise in eine bessere Beleuchtung. Und da kann Signify unterstützen, denn wir bieten mit «Philips Hue» eine perfekte Lösung für das Ambiente und für konzentriertes Arbeiten zu Hause an. Weiterhin haben wir die Digital-Messe «Spotlight» ins Leben gerufen, die wir weltweit zur gleichen Zeit für unsere Kunden abgehalten haben. In einer Zeit, in der Kontakte eingeschränkt oder gar nicht möglich waren, war das eine willkommene Alternative, die zahlreiche Kunden sehr positiv aufgegriffen haben. Die Präsentationen wurden in 19 Sprachen simultan übersetzt. Diese Digital-Messe wird zukünftig ein zusätzliches Element sein.
Sie kennen den D-A-CH-Markt bereits aus früheren, verantwortungsvollen Positionen in der Branche bestens. Wo sehen Sie die Hauptunterschiede zu den USA?
Signify ist einer der wenigen Anbieter, der sowohl in den USA als auch im DACH-Markt, gleichermassen stark vertreten ist. Interessant ist zum Beispiel, dass der «Way to market», also wie man am Markt agiert, in den USA ganz anders ist als bei uns. Das Lichtgeschäft wird in den USA über «agencies» abgewickelt, also Handelsvertretungen, die eine spezifizierte Lösung für die Hersteller in den Markt bringen. Also das Gegenteil zum D-A-CH- oder auch zum Schweizer Markt, wo die Hersteller selbst am Markt agieren, natürlich durch Partner vertreten werden, aber die Spezifikation selbst in die Hand nehmen. Ich sehe in Amerika mehr Optimismus und den Wunsch, etwas Neues anzupacken. Davon können wir in Europa etwas lernen. Auf der anderen Seite gehen wir in Europa strukturierter und ausgewogener vor und entwickeln nachhaltige Pläne.
Von welchen Punkten der Innovationsfreude des US-amerikanischen Markts sollten Schweizer Kunden profitieren?
Signify ist nicht nur anerkannter Innovationsführer in der Lichtbranche, sondern auch die Firma mit den meisten Innovationspatenten in der Lichtbranche. Die LED-Technologie, vor knapp zehn Jahren noch eine Nischenanwendung, finden wir heute in allen Bereichen. Wir sind mit Connectivity einen Schritt weitergegangen, also mit vernetzten Lösungen. Die vernetzten Lösungen sind heute noch eine Nischenanwendung auf dem Weg zum Standardprodukt. Im Konsumentenbereich – wie beispielsweise bei einer Renovierung – ist eine vernetzte Lösung, wie sie Philips Hue anbietet, ideal. Man braucht nicht mehr in die Kabelsysteme oder in die Installation eingreifen. Ich kann also Licht dimmen, regeln, Farbe reinbringen, ohne dass ich grossen Aufwand betreiben muss. Bei Büro-Neubauten oder in der Industrie kann man eine effizientere Nutzung gleich von Beginn an integrieren.
Was verbergen sich für Innovationen hinter dem Ausdruck «Beyond illumination»?
Mit dem Slogan «Beyond illumination» bieten wir, wie der Name sagt, Technologien an die über die klassische Beleuchtung hinaus gehen, Mehrwertdienst bieten. Dazu gehört beispielsweise LiFi: Mit dem «LiFi-System» können wir mit Hilfe von Licht Daten transferieren. WLAN ist empfänglich für Angriffe von ausserhalb des Gebäudes. Bei einem LiFi-Netzwerk kann das nicht passieren, weil man sich im Lichtstrahl befinden muss, um Zugriff auf die Daten zu bekommen. Dennoch besteht bei LiFi noch Beratungsbedarf hinsichtlich der Datensicherheit. LiFi ist ein klassisches Projektgeschäft, wo wir Industriekunden von der Idee bis zur Implementierung begleiten.
Bei 5G zum Beispiel können wir die intelligenten Lichtmasten der Bright-Sites-Serie von Signify baulich so konzipieren, dass die 5G-Installation optimal eingebettet werden kann. Auf diese Weise können wir die bereits in Städten vorhandene Infrastruktur nutzen und es braucht nicht zusätzlich weitere Masten oder Verteilpunkte. Hier sind wir auch bereits in der Umsetzung. Das kann man auch weiter denken bezogen auf das Autonome Fahren.
Sie bieten ja auch 3D-Druck an …
Ja mit 3D-Druck können wir eine Leuchte komplett aus wieder verwertbaren Materialien produzieren. Das hilft nicht nur Transportkosten zu sparen, wir bieten dazu auch einen Nachhaltigkeitseffekt, der «Circular Economy» – also die Rückführung der Produktbestandteile in einen geschlossenen Materialfluss.
Die Lebensmittelproduktion können wir mit «Beyond illumination» in die Nähe der Städte bringen, es müssen auch hier nicht mehr unnötige Transportwege gemacht werden, wenn zum Beispiel die Tomatenproduktion direkt in der Stadt von Bern, Basel oder Zürich ist. Denn wir bauen die Sonne nach und verhelfen den Lebensmitteln damit zum Wachstum. Alle genannten Lösungen also «TruLifi», 3D geruckte Leuchten und professionelle Beleuchtung für die Lebensmittelproduktion sind bereits im Schweizer Markt erhältlich,
Ganz aktuell bieten Sie Lösungen zur Desinfektion mit UV-C an. Um was handelt es sich?
UV-C ist keine Innovation, es basiert auf einer 35 Jahre alten Technologie, die wir nutzen. Wir wollen damit unseren Beitrag leisten in der Bekämpfung der Pandemie, indem wir Luft, Wasser und auch Oberflächen desinfizieren wie auch Viren, Bakterien oder Keime neutralisieren. Die Luftqualität in Räumen wird dadurch erheblich verbessert. Diese Technik kann nicht nur in Luftfilter eingebaut werden, sie kann auch zur Wasseraufbereitung verwendet werden. Aufgrund steigender Nachfragen haben wir nicht nur unsere Produktionskapazität verachtfacht, wir haben auch Partner gefunden, um den Bedarf abdecken zu können. Zu unseren Kunden gehören neben Banken und der Lebensmittelindustrie auch Sportstätten. Denkbar ist jeder Bereich, der Wert auf gute Luft legt.
Wie hebt sich das Signify-Geschäft konkret vom ursprünglichen Mutterhaus ab und wo liegt der Unterschied?
Philips ist ein Markenname, den wir für unsere Produkte nach wie vor nutzen und auf den wir stolz sind. Die Firma Royal Philips bestand 2015 aus den drei Sparten HealthCare, also Medizingeräte, Consumer goods, wie Fernseher, Kaffeemaschine etc. – und Lighting. In diesem Zeitraum hat sich Royal Philips entschieden, sich in Zukunft nur mehr als Healthcare Company aufzustellen. Die Sparte Lighting ist dann ausgegliedert worden und seit Mai 2016 als eigenständiges Unternehmen börsennotiert. Zwei Jahre später haben wir dann auch unseren Unternehmensnamen von Philips Lighting in Signify geändert. Auch wenn auf den Produkten noch der Markenname Philips zu sehen ist, gehören diese nunmehr zu Signify. Signify ist also sowohl ein 128 Jahre alter Marktführer im Licht, gleichzeitig sind wir auch ein vier Jahre junges Start-up. Früher waren wir ein reiner Leuchtmittelhersteller, und nun sind wir fast hauptsächlich Leuchten-Lösungs- und Technologielieferant. Wir haben also eine grosse Transformation hinter uns gebracht, die durch die LED-Einführung stark beschleunigt wurde. Ausserdem kam die Marke Interact für vernetzte Lösungen ins Spiel. Interact ist ein Portfolio von massgeschneiderten Softwareanwendungen. Sie wurden entwickelt, um vernetzte Beleuchtungssysteme und die von ihnen gesammelten Daten mit anderen Lösungen zu integrieren. Zum Beispiel mit Managementsystemen für die intelligente Verwaltung von Gebäuden oder Städten sowie weiteren IoT-Applikationen. Man kann es vielleicht am besten so zusammenfassen: Wir machen weiterhin grossartiges Licht mit unseren Philips Produkten und vernetzen alles mit der Interact IoT-Plattform.
Ist aus Ihren Augen die Transformation geglückt und wo besteht Handlungsbedarf?
Die Herausforderung ist ganz klar die Kommunikation im Markt. Die Klarheit zu vermitteln, wofür Signify steht und was wir alles anbieten. Und das ist viel mehr als nur eine 60-Watt-Birne. Wir stehen als Innovationsführer zum Beispiel für Vernetzungslösungen, für per 3D-Druck produzierte Leuchten, Internet über Lichtwellen oder auch für nachhaltige Lebensmittelproduktion.
Welche Vision verfolgen Sie persönlich für die nahe Zukunft?
Wir haben eine starke Vision als Signify: «to unlock the extraordinary potential of light for a better world and brighter light». Das aussergewöhnliche Potenzial von Licht zu entfesseln für eine bessere Welt und helleres Licht. Meine persönliche Vision ist: Wir wollen mehr als nur gutes Licht. Wir streben sowohl die Vernetzung an als auch die Nutzung des Potenzials von Licht durch Beyond Lighting. Für zu Hause bietet «Philips Hue» eine angenehmere Arbeitsumgebung oder dem Kind beispielsweise besseres Licht zum Lernen. Wir können den Menschen auch im Büro eine bessere Arbeitsumgebung ermöglichen, diese effizienter gestalten und somit Ressourcen sparen. Signify ist zum dritten Mal hintereinander vom Dow-Jones-Nachhaltigkeitsindizes ausgezeichnet worden. Man kann Signify daher als führend im Thema Nachhaltigkeit bezeichnen, wenn man bedenkt, dass die Firma weltweit CO2-neutral arbeitet.