Wärmetechnik

Das Schlottern dauert an, alle Heizungen laufen auf Hochtouren. Dabei kann es gefährlich werden. (Foto: Walter Schwager)

Besonders bei aussen liegenden Abgasleitungen besteht bei extremer Kälte Vereisungsgefahr: Eingefrorenes Kondenswasser verstopfte diesen Kamin in Langenthal. (Foto: Marco Wölfli)

Sigmatek

Extreme Kälte und Wind: Sind Kamine vereist, droht Hausbewohnern eine Kohlenmonoxid-Vergiftung

Nicht nur Frieren kann tödlich enden, auch Heizen bringt derzeit Menschen in Lebensgefahr. Im Januar und Februar sind täglich aus ganz Europa Meldungen von Kohlenmonoxid-Vergiftungen eingegangen. Mehrere Menschen haben dabei ihr Leben verloren.

Glück hatten in Degersheim SG fünf Bewohner eines Mehrfamilienhauses, die wegen Verdachts auf eine Kohlenmonoxid-Vergiftung ins Spital eingeliefert wurden. Eine zugefrorene Abgasleitung der Ölheizung führte zu einem Rückstau. In der Folge füllte sich nach und nach das Haus mit dem giftigen Gas Kohlenmonoxid (CO). Messungen der Feuerwehr ergaben zu hohe Werte im Haus. Weitere Abklärungen zeigten, dass sich in einer Abgasleitung der Heizung Kondenswasser gebildet hatte. Dieses gefror bei den tiefen Temperaturen, sodass die Abgase nicht mehr vollständig austreten konnten.
Schlimmer die Folgen in einem Chalet im waadtländischen Rossinière. Ein 43-jähriger Mann ist an den Folgen einer Kohlenmonoxid-Vergiftung gestorben. Seine 44-jährige Frau wurde in einem kritischen Zustand ins Genfer Unispital geflogen. Entdeckt wurde der Vorfall von einer Mieterin der Parterre-Wohnung des Chalets. Sie stellte einen ungewöhnlichen Geruch fest, ging zur Wohnung der Hausbesitzer und fand dort zwei leblose Körper. Die 58-Jährige musste sich darauf ebenfalls in Spitalpflege begeben.

Gute Wartung ist entscheidend

Wie dramatisch ist die Situation? Befinden wir uns in diesen Tagen alle in Lebensgefahr? Thomas Lüthy, Zentralvorstandsmitglied des Schweizer Kaminfegermeister-Verbandes, winkt ab: «Nein, bei einer gut gewarteten Anlage und aufmerksamen Bewohnern sollte nichts passieren.» Einen Unterschied zwischen Holz-, Gas- und Ölheizungen macht der Fachmann nicht. In allen Fällen entstehe bei der Verbrennung Wasser sowie Kohlendioxid – und bei schlechter Verbrennung das gefährliche Kohlenmonoxid. Wie und wann es dann zu gefährlichen Situationen komme, wollten wir von Lüthy wissen. Er macht dafür schlecht gewartete Anlagen und Vereisungen verantwortlich: "Ich habe in den vergangenen 35 Jahren tatsächlich noch nie so viele Zwischenfälle erlebt wie in den letzten Tagen." Einen Grund sieht er bei der permanenten Kälte und der enormen Bisen-Strömung. Das führe besonders bei aussen liegenden Abgasleitungen schneller zu Vereisungen. Hinzu komme, dass die modernen Anlagen zwar einen tollen Wirkungsgrad hätten, aber die dabei gemessenen tiefen Abgastemperaturen ganz einfach schneller zu Vereisungen führten. "Ein paar wenige kalte Tage bis 10 Grad unter null haben wir schon oft gehabt, da passiert in der Regel gar nichts, doch jetzt ist die Situation schon aussergewöhnlich", präzisiert Thomas Lüthy.

Auf Gerüche und Geräusche achten

Was bedeutet dies nun für Frau Müller und Herrn Meier konkret? Thomas Lüthy empfiehlt, in diesen Tagen besser auf die Heizung zu achten: Sollte man ungewohnte, blubbernde Geräusche (ausgelöst durch einen verengten Querschnitt der Abgasleitung) oder auch eigenartige Gerüche wahrnehmen, müsse man unbedingt handeln. Trete eine Störung auf, solle man nicht einfach die Neustart-Taste drücken und bei Erfolg einfach zur Tagesordnung übergehen. Besser sei es, den Kaminfeger zu informieren. Dieser werde zuerst abklären, ob eine Vereisung vorliege, oder andernfalls zusätzlich den Heizungsfachmann aufbieten.
Und was ist, wenn es zu allem noch einen Meter Schnee gibt? Dann wäre doch der Kamin ebenfalls zugedeckt, mit dem Ergebnis, dass ebenfalls ein todbringender Rückstau der Abgase entsteht, oder etwa nicht? Das sei in unserer Gegend noch nie vorgekommen. Die Vorschriften bezüglich der  Kaminhöhe würden derartige Vorkommnisse verhindern, meint Lüthy. Er bestätigt jedoch die Vermutung, dass die niedrigen Abgastemperaturen wohl nicht mehr ausreichten, um beim Austritt den Schnee wie früher wegzuschmelzen.
Die tragischen Ereignisse beschäftigen Thomas Lüthy vom Kaminfegermeister-Verband. Trotzdem macht er im Gespräch einen unaufgeregten Eindruck. Es gebe keinen Grund auf Panik zu machen – aber zu spassen sei mit der Heizerei in diesen Tagen eben auch nicht.

Beispiel in Langenthal

Giftiges Kohlenmonoxid aus der Gasheizung schreckte in der Nacht eine junge Familie auf. Grund war der vereiste Kamin.
Michael Lüdi tönt erleichtert: "Im Nachhinein ist der Schreck gross. Wenn wir eingeschlafen wären, hätten wir sterben können." In der Nacht strömte Kohlenmonoxid in das Haus, wo Lüdi mit seiner Frau und seinem zehnmonatigen Sohn lebt. "Meine Frau und ich verspürten Kopfweh und Übelkeit. Zudem hing ein komischer Geruch in der Luft", erzählt Lüdi.
Der Architekt vermutete sofort einen Defekt an der Heizung und verständigte die Polizei und das toxikologische Institut. Diese rieten ihm, ins Spital zu gehen. Dort stellten die Ärzte massiv höhere Schadstoffwerte in den Körpern der Eltern fest. Ihr kleiner Sohn hatte glücklicherweise am wenigsten abbekommen. Um die Schadstoffe aus dem Körper zu entfernen, nützt einzig Sauerstoff. Dank dem Einsatz von Sauerstoffmasken konnten die Eltern das Spital bald wieder verlassen. Ihr Sohn wurde tagsüber im Inselspital noch beobachtet.
Schuld an den Abgasen war das vereiste Kondenswasser im Aussenkamin. Durch die lange Kälteperiode bildete sich im Kamin ein Eiszapfen, der die Emission der Abgase verhinderte. Durch die frühe Entdeckung der Abgase hatte die junge Familie Glück im Unglück. Trotzdem fürchtet sich Michael Lüdi nun nicht vor weiteren Zwischenfällen: "Die Wahrscheinlichkeit, dass der Kamin noch einmal vereist, ist gering. Und diese Kältewelle dauert ja hoffentlich nicht mehr ewig."

Zugehörige Online-Artikel:

"Wie die Heizung zu einer heimtückischen Todesfalle wird", Theodor Eckert, Solothurner Zeitung, 9. Februar 2012
"Wir hätten durch die Abgase sterben können", Marco Wölfli, Langenthaler Tagblatt, 9. Februar 2012